Die ersten Jahrzehnte
des Christentums (Teil 2)
Eine Hilfe zum Studium der Apostelgeschichte
Kapitel 5, Verse 17 bis 21
Eine solche Kundgebung der Kraft des Geistes erfüllte den Hohenpriester und die Sekte der Sadducäer mit Eifersucht. Sehen zu müssen, wie die Apostel bei dem Volke Gunst fanden und wie Gott mit ihnen war, kränkte diese Menschen in ihrem Standesdünkel. Sie gebrauchten ihre Macht und warfen die Apostel in das öffentliche Gefängnis. Aber ihre Macht und ihr Hass prallten gegen die Macht des Herrn. Sie gaben Ihm dadurch nur eine neue Gelegenheit, sich zu offenbaren, doch diesmal nicht durch die Apostel. Ein Engel kam des Nachts, öffnete die Türen des Gefängnisses und sagte: «Gehet und stellet euch hin und redet in dem Tempel zu dem Volke alle Worte dieses Lebens.» Die Botschaft, welche die Apostel verkündigten, waren «Worte dieses Lebens». Das Leben war da als Resultat des Todes und der Auferstehung des Herrn. Furchtlos gehorchten die Apostel. Sie gingen frühmorgens in den Tempel und lehrten.
Verse 21 bis 24
Unterdessen versammelte sich das Synedrium und die ganze Ältestenschaft der Söhne Israels. Sie sandten nach dem Gefängnis, um die vermeintlich Gefangenen herbeizuführen. Die Diener fanden das Gefängnis mit aller Sorgfalt verschlossen und die Wachen an den Türen stehen, aber es war niemand mehr darin. Beim Hören dieser Dinge gerieten der Hauptmann des Tempels und der Hohepriester in Verlegenheit, was dies doch werden möchte. Ja, was konnte daraus entstehen, wenn diese Männer nun wirklich die Freiheit wiedererlangt hatten? Welch ungleicher Kampf zwischen der Bosheit dieser Männer und Gott!
Verse 25 bis 32
Da kam einer mit der Nachricht: Die Männer sind im Tempel und lehren das Volk! Sofort gingen der Hauptmann des Tempels und die Diener hin, um die Apostel mit aller Vorsicht herbeizuführen, denn sie fürchteten, vom Volke gesteinigt zu werden, wenn sie Gewalt anwendeten. Beim Menschen ohne Gott dreht sich alles um das eigene Ich. Als die religiösen Führer ihr Prestige beim Volk schwinden sahen, setzten sie die Jünger in Gewahrsam; und als Gott Seine Diener befreite, suchten die Führer ihr eigenes Leben zu schützen.
Für die Diener Gottes aber ist alles einfach. Gehorsam gegenüber Gott ist das Einzige, was für sie in Frage kommt. Die Folgen, die daraus entstehen, können sie Ihm getrost überlassen.
Vor dem Synedrium warf ihnen der Hohepriester nun vor, sie hätten trotz des strengen Gebots, in diesem Namen nicht zu lehren, fortgefahren, Jerusalem mit ihrer Lehre zu erfüllen. Sein Vorwurf bezog sich nicht auf die Wunder, welche die Apostel getan hatten, sondern auf die Verbreitung der Lehre, die auf den Tod und die Auferstehung Jesu gegründet war. Diese Lehre beunruhigte ihr Gewissen. Doch schienen sie vergessen zu haben, dass sie einmal ausgerufen hatten: «Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!» Denn nun klagten sie die Apostel an und sagten: «Ihr wollt das Blut dieses Menschen auf uns bringen.» Jesus war für sie immer nur ein Mensch. Für Gott und die Apostel aber war Er der erhöhte Führer und Heiland. Wenn diese Juden Jesum nur als Menschen behandelten, so waren sie für die Apostel auch nichts anderes als Menschen ohne jegliche Autorität. In Kapitel 4,19 hatten ihnen Petrus und die Apostel geantwortet: «Ob es vor Gott recht ist, auf euch mehr zu hören als auf Gott, urteilet ihr.» Nachdem jene nun aber einen Gott entgegengesetzten Willen geoffenbart hatten und sich anschickten, Seine Stimme zum Schweigen zu bringen, antworteten sie ganz einfach mit der Autorität des göttlichen Grundsatzes: «Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen.» Dabei redeten sie aber immer noch als solche, die sich zu der Nation zählten, gegen welche Gott auf Grund der Fürsprache Christi am Kreuze Langmut übte. Sie sagten: «Der Gott unserer Väter hat Jesum auferweckt, den ihr ermordet habt, indem ihr ihn an ein Holz hängtet. Diesen hat Gott durch seine Rechte zum Führer und Heiland erhöht, um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu geben. Und wir sind seine Zeugen von diesen Dingen, aber auch der Heilige Geist, welchen Gott denen gegeben hat, die ihm gehorchen.» Diese Erklärung voller Energie bestätigte den Obersten ihre schreckliche Schuld, die auf ihrem Gewissen lastete. Ach, sie suchten es dadurch zu beschwichtigen, dass sie die Apostel zum Schweigen brachten. Aber Israel wurde immer noch zur Buße eingeladen, und immer noch wurde ihm Vergebung der Sünden angeboten.
Im 32. Vers erwähnen die Apostel das doppelte Zeugnis über den verherrlichten Christus, von dem der Herr in Johannes 15, 26-27 gesprochen hatte: Das Zeugnis der Apostel und das Zeugnis des Heiligen Geistes.
Verse 33 bis 42
Das 5. Kapitel zeigt uns ein dreifaches Einschreiten Gottes.
- In den Versen 1-11 ist von dem Heiligen Geist die Rede, der in der Versammlung das Böse offenbar macht, damit sie davon gereinigt werde.
- Die göttliche Vorsehung bedient sich eines Engels, um die Jünger in Freiheit zu setzen. Gott gebietet ihnen durch diesen, in den Tempel zu gehen und dort mit der Verkündigung des Wortes fortzufahren (Verse 17-32).
- Gott bedient sich der Weisheit eines Menschen, um die Apostel von dem Synedrium zu befreien (Verse 33-42).
Gott stehen alle Mittel zur Verfügung, um Seine Gnadenabsichten zu Gunsten der Seinigen zu verwirklichen und um Seinem Zeugnis zum Siege zu verhelfen.
Das Zeugnis der Apostel entfachte in den Herzen der Männer des Synedriums maßlose Wut. Sie ratschlagten, sie umzubringen. Aber Gamaliel erhob sich und befahl, die Leute eine kurze Zeit hinauszutun. Dann führte er Beispiele an von zwei Männern, deren Tätigkeit durch ihre Vernichtung zu Ende ging. Theudas, der etwas zu sein meinte und dem etwa vierhundert Männer anhingen, wurde getötet, und alle, die ihm Gehör gaben, sind zerstreut und zunichte geworden. Er war das Bild eines Menschen ohne Gott, der sich erhebt und andere Menschen hinter sich her zieht, dann aber unter dem Gericht Gottes endet. Die heutige Generation erwartet den Übermenschen. Er wird ihr in der Person des Antichristen als Zuchtrute Gottes gegeben werden. Bei der Ankunft des Herrn wird aber sowohl er, als auch die, welche ihm Gehör geben, vernichtet werden. – Judas der Galiläer hatte auch nicht mehr Erfolg. Das Ende des einen wie des andern zeugt von ihrer eigenen Nichtigkeit und der Wertlosigkeit ihres Werkes; es war nur das Werk eines Menschen. Gamaliel schloss aus diesen Erfahrungen: Wenn das Werk der Apostel aus Gott ist, wird es bestehen bleiben, und die, welche sich ihm widersetzen, wären dann solche, die gegen Gott streiten und würden schließlich vernichtet werden. Die von diesem Gesetzeslehrer angeführten zwei Beispiele waren für alle beweiskräftig, und wir begreifen, dass er in menschlicher Weisheit einen solchen Schluss daraus zog. Aber Gott benützte dies, um das Herz Gamaliels und der übrigen Männer des Synedriums zu lenken. Er neigt das Herz der Könige, wohin immer Er will (Spr. 21,1). Das Synedrium stimmte dem Rat Gamaliels zu, jedoch nicht ohne noch einmal ihren Hass gegen den Namen Jesu zum Ausdruck zu bringen. Sie schlugen die Apostel und geboten ihnen, nicht in dem Namen Jesu zu reden.
Verse 41 bis 42
«Sie nun gingen aus dem Synedrium hinweg, sich freuend, dass sie gewürdigt worden waren, für den Namen Schmach zu leiden; und jeden Tag in dem Tempel und in den Häusern, hörten sie nicht auf zu lehren und Jesum als den Christus zu verkündigen.» Die Apostel machten sich nichts aus dem Verbot seitens derer, die für sie nur Menschen waren (V. 29), auch nichts aus den Schlägen, die sie erhielten. Sie hatten es ja mit Gott zu tun. Welche Energie und Kühnheit erfüllte sie! Das waren Wirkungen des Heiligen Geistes. Sie waren «mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat.» Herrschaft und Macht waren ja nun in den Händen Jesu, den Gott zum Herrn und Christus gemacht hat, und offenbaren sich in denen, die Ihm gehorchen, zu Seiner Verherrlichung.
Die Apostel freuten sich, dass sie gewürdigt worden waren, für den Namen Schmach zu leiden. Dieser Name ist einzigartig. Der gleiche Ausdruck findet sich in 3. Johannes 7: «für den Namen sind sie ausgegangen.»
Kapitel 6, Verse 1 – 4
«In diesen Tagen aber, als die Jünger sich vermehrten, entstand ein Murren der Hellenisten gegen die Hebräer, weil ihre Witwen bei der täglichen Bedienung übersehen wurden.» Unter diesen «Jüngern» verstand man die Gläubigen, die in der Lehre der Apostel verharrten. Die «Hellenisten» in ihrer Mitte waren Juden, die sonst unter den Griechen wohnten und deren Sprache redeten.
Im 5. Kapitel sahen wir, wie die Kraft des Heiligen Geistes und die Hilfsquellen der Vorsehung Gottes sich dem Bösen in der Versammlung entgegenstellten und sich den Feinden des Herrn Jesus widersetzten. Hier bedient sich der Geist Gottes anderer Mittel. Als die Zahl der Jünger wuchs, wurde die Liebe schwächer und damit auch das Vertrauen. Aber die Milde, die Langmut, die Sanftmut der Apostel und der Menge der Jünger stellten zum Wohl der Versammlung den Frieden wieder her, und die Gefahr der Zwietracht unter den Gläubigen wurde gebannt. Zudem wurde dieser auftauchenden Schwierigkeiten wegen der «Dienst des Wortes» vom «Geschäft der Bedienung der Tische» getrennt. Bis dahin waren beide Dienste durch die Apostel ausgeübt worden (Kap. 4,35), aber bei der großen Menge der Jünger konnten sie dieser Aufgabe nicht mehr genügen. Die Zwölfe riefen daher alle Jünger zusammen und sprachen: «Es ist nicht gut, dass wir das Wort Gottes verlassen und die Tische bedienen. So sehet euch nun um, Brüder, nach sieben Männern aus euch, von gutem Zeugnis, voll Heiligen Geistes und Weisheit, die wir über dieses Geschäft bestellen wollen; wir aber werden im Gebet und im Dienst des Wortes verharren.» So wurde das Böse, das in Form von Unzufriedenheit die Versammlung bedrohte, durch die Weisheit der Apostel und durch den Geist der Sanftmut und des Friedens der handelnden Brüder abgewendet.
Beachte Vers 4. Die Apostel setzten das Gebet vor den Dienst des Wortes. In der Gegenwart des Feindes müssen wir vor Ausübung jeglicher Tätigkeit zu der Quelle der Kraft und der göttlichen Weisheit Zuflucht nehmen. Besonders im Evangelium Lukas wird uns der Herr auch in dieser Hinsicht als das große Vorbild gezeigt.
Verse 5 bis 6
Die Rede gefiel der ganzen Menge, und sie erwählten sieben Männer, unter denen sich auch Stephanus befand, ein Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes. Diese Sieben wurden vor die Apostel gestellt, welche, als sie gebetet hatten, ihnen die Hände auflegten. Die durch den Heiligen Geist geleitete Versammlung hatte die Auswahl unter den Hellenisten getroffen, wie man aus den Namen der Männer ableiten kann. Die Jünger aus Judäa, zu ihrem Lobe sei es gesagt, hatten also zur Beruhigung der Unzufriedenen beigetragen. Es war Einmütigkeit im Handeln der Zwölfe und der Menge. Ein schönes Beispiel, das die Versammlung bei jeder Entscheidung nachahmen sollte. Durch das Auflegen der Hände machten sich die Apostel mit den Sieben eins in diesem wichtigen Dienst, der in voller Übereinstimmung mit allen ausgeübt werden sollte. Der Dienst an den Bedürftigen unter den Geschwistern setzt besondere Eigenschaften voraus, die heutzutage nicht oft gefunden werden. Die dafür ausgewählten Männer mussten ein gutes Zeugnis haben und sollten voll Heiligen Geistes und Weisheit sein, denn diese Aufgabe ist schwierig und erfordert Einsicht. Sie setzt wahre Frömmigkeit und Gottesfurcht voraus, eine Güte, die nichts zu tun hat mit Schwachheit oder Parteilichkeit. Der Apostel Paulus war darin ein Vorbild, als er von den Versammlungen der Nationen beauftragt wurde, ihre Gaben für die Bedürftigen unter den Juden nach Jerusalem hinaufzubringen. Bei der Erwähnung seines Begleiters, «dessen Lob im Evangelium durch alle Versammlungen verbreitet ist», schrieb er über diese Angelegenheit: «Aber nicht allein das, sondern er ist auch von den Versammlungen gewählt worden zu unserem Reisegefährten mit dieser Gnade, die von uns bedient wird; denn wir sind vorsorglich für das, was ehrbar ist, nicht allein vor dem Herrn, sondern auch vor den Menschen» (2. Kor. 8,18-22). Es ist für uns heute von der größten Wichtigkeit, an diese Grundsätze erinnert zu werden, denn die Opfer der Heiligen zu Gunsten der Leviten, des Fremdlings, der Waise und der Witwe, werden Gott dargebracht (5. Mose 26,13-14, siehe auch Hebräer 13,15-16). Deshalb liegt auf der Verwaltung dieser Gaben ein so großer Ernst.
Vers 7
Stephanus und Philippus hatten sich zuerst in diesem Dienst als treu erwiesen und dabei «eine schöne Stufe erworben und viel Freimütigkeit im Glauben» (1. Tim. 3,13). Dann aber wurde ihnen ein noch wichtigerer Dienst anvertraut, wie wir es am Ende dieses Kapitels und im folgenden bei Stephanus sehen.
«Und das Wort Gottes wuchs, und die Zahl der Jünger mehrte sich sehr; und eine große Menge der Priester wurde dem Glauben gehorsam.» Das Wort Gottes wuchs! Ein bemerkenswerter Ausdruck! Das Wort wird hier mit den Früchten, die es bringt, identifiziert. Die Menschen, in welchen es wirkte, waren eins mit dem Worte. Sie machten sich aber auch dadurch eins mit ihm, dass sie es anderen brachten.
Verse 8 bis 15
Bei Stephanus dauerte es nicht lange, bis er die Grenzen des Dienstes eines Diakons überschritt. Voll Gnade und Kraft tat er Wunder und große Zeichen unter dem Volke. Ein solch kraftvolles Zeugnis in der freien Wirksamkeit des Geistes erregte die Wut des Feindes, und er suchte diese Stimme zum Schweigen zu bringen. Er bediente sich dabei einiger Menschen, die verschiedenen Synagogen angehörten. Da sie aber der Weisheit und dem Geiste, durch welchen er redete, nicht zu widerstehen vermochten, schoben sie in Falschheit Männer vor, welche sagten: «Wir haben ihn Lästerworte reden hören wider Mose und Gott.» Dann erregten sie das Volk und die Ältesten und die Schriftgelehrten, rissen ihn mit sich fort und führten ihn vor das Synedrium. Dort stellten sie falsche Zeugen auf, welche sagten: «Dieser Mensch hört nicht auf, Worte zu reden gegen die heilige Stätte und das Gesetz; denn wir haben ihn sagen hören: Dieser Jesus, der Nazaräer, wird diese Stätte zerstören und die Gebräuche verändern, die uns Moses überliefert hat.» In der Tat, diese Stätte wurde einige Jahre später zerstört. Aber das Wort, das diese Menschen zum Schweigen bringen wollten, fuhr fort, das Werk der Gnade zu vollbringen, das in jenen Tagen in großer Kraft begonnen worden war, angesichts eines satanischen Widerstandes. «Und alle, die in dem Synedrium saßen, schauten unverwandt auf ihn und sahen sein Angesicht wie eines Engels Angesicht.» Stephanus war im Begriff, dem König die Botschaft zu überbringen, dass Sein Volk sich endgültig weigere, Ihn aufzunehmen (Luk. 19,14) und befand sich schon in den Strahlen der himmlischen Herrlichkeit. Aber nichts vermochte diese Männer zu rühren und ihren Hass zum Erlöschen zu bringen. Je mehr sie sich in die Gegenwart der Wahrheit gestellt sahen, desto mehr verhärteten sie sich und zwar dermaßen, dass sie sich nicht scheuten, ihn als ersten christlichen Märtyrer zu töten, unbekümmert um die Tatsache, dass ihnen die Römer das Recht zu solchem Tun weggenommen hatten. Vor diesem Verbrechen sollten sie aber noch die im 7. Kapitel aufgezeichnete und gegen sie gerichtete göttliche Anklage zu hören bekommen, die endgültigen Charakter hatte.
Kapitel 7, Verse 1 bis 7
Nach dem Anhören der gegen Stephanus vorgebrachten Anklagen fragte ihn der Hohepriester: «Ist denn dieses also?» Darauf begann Stephanus dem Synedrium in der Kraft des Heiligen Geistes mit Gnade und Weisheit die Geschichte des Volkes von der Berufung Abrahams an in Erinnerung zu rufen. Er wies darauf hin, wie Gott die Umstände dazu benutzt hatte, Seine dem Patriarchen gegebenen Verheißungen zu erfüllen: Das Volk gelangte in den Besitz des Landes Kanaan, und schließlich kam der durch die Propheten verheißene Messias. Aber in dieser Geschichte beleuchtete er nicht nur die Treue Gottes, sondern auch den fortgesetzten Widerstand der Väter, der parallel daneben herlief. Der Geist der Empörung zeigte sich schon bei den Brüdern Josephs, als an ihm im Vorbild die Wesenszüge Christi offenbar wurden. Dieser Geist in Israel trat auch Mose gegenüber zutage, als er seine Brüder befreien wollte und überhaupt während der ganzen Wüstenwanderung. Im verheißenen Land gaben sie sich dem Götzendienst hin, verfolgten und töteten die Propheten, welche die Ankunft des Messias zuvor verkündigten. Die natürliche Folge dieses Widerstandes, der sich ursprünglich gegen Gott richtete, war die Verwerfung Seines Gesalbten, ihres Befreiers, auf welchen zu hören, Mose schon das Volk ermahnt hatte (V. 37). Auch ihre Weigerung, über diese schreckliche Sünde Buße zu tun, lag in dieser Linie.
Diese Buße wäre ja die Voraussetzung für die Rückkehr des Herrn gewesen, der vom Himmel herabgekommen wäre, um die «Zeiten der Erquickung» einzuleiten, von denen die Propheten geredet hatten und auf die auch Petrus hinwies (Kap. 3). Wie ihre Väter dem Heiligen Geiste widerstritten hatten, so widerstanden auch sie Ihm, indem sie Sein Zeugnis über Jesum, den Verherrlichten, nicht annahmen. Im Grunde kam das ja einer Verwerfung des Gottes der Herrlichkeit gleich, der einst Abraham erschienen war und dann das Volk bis zur Sendung Seines Sohnes in Langmut ertragen hatte.
Die Juden erkannten sich in dem deutlichen Spiegel, den ihnen Stephanus vor die Augen hielt. Sie bebten vor Wut und steinigten ihn! Von da an war jede Verbindung zwischen Gott und dem verantwortlichen Volke unterbrochen. Wohl wirkte die Gnade noch in den Einzelnen, um sie zu erretten und der Versammlung hinzuzufügen. Aber das Volk sollte fortan unter die Nationen zerstreut werden, aus deren Mitte es einst herausgerufen worden war. Dieser Zustand wird bis zu dem Tage dauern, an dem Gott die den Vätern gegebenen, bedingungslosen Verheißungen erfüllt und an dem dieses Volk sagen wird: «Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!»
Stephanus, dem die Juden widerstanden, schaute voll Heiligen Geistes unverwandt gen Himmel und rief in bewundernswerter Gleichförmigkeit mit dem Herrn die gleichen Worte aus wie Er: «Nimm meinen Geist auf» und «rechne ihnen diese Sünde nicht zu!» Aber er konnte nicht, wie sein Meister, hinzufügen: «Denn sie wissen nicht, was sie tun.»
Tatsächlich war dem Volke durch den Dienst des Petrus und des Stephanus klar geworden, dass sie den Herrn endgültig verworfen hatten. Und da der Mensch den treuen Zeugen Jesu auf der Erde nicht dulden wollte, öffnete sich ihm der Himmel und der Herr nahm seinen Geist auf bis zur Auferstehung aus den Toten, die das Teil aller entschlafenen Gläubigen sein wird.
Nun konnte die himmlische Stellung der Versammlung geoffenbart werden, und dies geschah durch den Dienst des Mannes, der einst als Jüngling die Kleider derer verwahrte, die Stephanus steinigten.
Aber kommen wir noch einmal auf die Rede des Stephanus zurück!
Es war der Gott der Herrlichkeit, der Abraham vom Götzendienst, in den der Mensch seit der Flut gesunken ist, abgesondert hat. (Vergl. Josua 24,2-3.) Die Menschheit war bei der Sprachenverwirrung zu Babel in verschiedene Nationen aufgeteilt worden. Um dem Rufe Gottes im Glauben zu folgen, musste er nun – alles, Volk und Verwandtschaft, verlassen und jede natürliche und politische Bindung lösen. Denn Gott wollte ein Volk haben, das Ihm gehörte und von einem Zustand der Dinge, in welchem die Dämonen den Platz Gottes einnahmen, abgesondert war. Die Kraft einer solchen Berufung war in dem Gott der Herrlichkeit zu finden, Den alle die Vollkommenheiten kennzeichnen, in denen Er sich in Seinem Sohne kundgetan hat. Er rief Abraham zu: «Komm in das Land, das ich dir zeigen werde.» Die Kraft der Berufung eines solchen Gottes und auch ein durch Ihn mitgeteilter Glaube war für Abraham erforderlich, um sich auf den Weg zu machen und alles zurückzulassen, ohne zu wissen, wohin es ging. Aber wenn Gott sagte: «Komm!» dann bedeutete dies, dass Er selbst mit ihm sein würde. Er sagte nicht: «Gehe!», obwohl auch das dem Glauben genügen sollte. Aber in Gemeinschaft mit dem Gott der Herrlichkeit ist es ein Leichtes, alles aufzugeben, um Seinem Rufe zu folgen.
Stephanus geht mehr in die Einzelheiten über den Aufenthalt Abrahams in Haran, als es in 1. Mose 11,31-12,5 geschieht. Er macht es deutlich, dass die Berufung und die Verheißungen in Mesopotamien erfolgt waren. Dadurch, dass Abraham seinen Vater mitnahm, wurde seine Ankunft in Kanaan verzögert. Auch dass Lot mitgegangen war, machte später seinen Weg schwierig. Aber durch solche Schwierigkeiten lehrt Gott die Berufenen, den Segen eines unbedingten Gehorsams besser zu verwirklichen.
Dass Abraham kein Kind hatte, war eine Prüfung für seinen Glauben, obwohl er die Verheißung einer Nachkommenschaft besaß, die das Land, in welchem er als Fremdling weilte, besitzen sollte. Aber das würde erst 400 Jahre später sein. In diesem ganzen Zeitraum sollte sein Same hier Fremdling sein und dann einem Volke unterworfen bleiben, das Gott zur bestimmten Zeit richten wollte. Stephanus bemerkte mit Genauigkeit, dass dieser Same befreit werden sollte, um Gott «an diesem Orte» zu dienen. Er erinnerte die Juden, die ihm zuhörten, dadurch an den Zweck ihres Weilens in diesem Lande und in Jerusalem.
Vers 8
Hier weist Stephanus auf den Bund der Beschneidung hin, den Gott mit den Vätern geschlossen hatte, um ihre eigene Absonderung für Gott auf ihr Gewissen zu legen.
Verse 9 bis 16
Das Betragen der Brüder Josephs stellte im Vorbild den verworfenen Christus vor die Zuhörer hin. Voller Neid gegen ihn, verkauften ihn seine Brüder und übergaben ihn den Händen der Nationen. Aber Gott war mit ihm; seine Verwerfung führte nach einer Zeit des Leidens zu seiner Erhöhung als Herr in höchster Herrlichkeit. Unterdessen lebten seine Brüder ohne ihn bis zum Augenblick, wo sie die Hungersnot zu seinen Füßen führte. In dieser Herrlichkeit wurde er von ihnen erkannt, wie auch Christus in kurzem vom leidenden Überrest erkannt werden wird.
Kapitel 7, Verse 17 bis 19
Die Zeit der Verheißung, an die in den Versen 6 bis 7 erinnert wurde, nahte heran. Das Volk, das dazu ausersehen war, eine große Nation zu werden, wuchs und vermehrte sich in Ägypten. Ein anderer König war aufgestanden, der Joseph nicht kannte. Beunruhigt über das Wachstum des Volkes, suchte er Wege, um es zu vernichten. Das Volk Gottes kann sich auf dem Gebiet des Feindes nicht vermehren, ohne dessen Hass und Widerstand hervorzurufen. Gleichzeitig treten auch die Anstrengungen Satans zu Tage, den Samen des Weibes, der seine Macht zermalmen soll, zu vernichten. Diese Anstrengungen hat er im Laufe der Geschichte des irdischen Volkes Gottes immer wieder erneuert. Bei seinem letzten Anlauf aber hat Christus «durch den Tod den zunichte gemacht, der die Macht des Todes hat, das ist der Teufel».
Der Fürst dieser Welt greift nicht immer offen als Löwe an; gegen das Geschlecht Israels handelte er «mit List». Dadurch wird er nur um so gefährlicher. So tritt er auch am Ende der gegenwärtigen Haushaltung auf: Satan widersteht den Gläubigen mit äußerster List, indem er das Böse in ihre Mitte einführt, um so – wenn möglich – das Zeugnis des Herrn zu zerstören.
Verse 20 bis 22
Aber Gott wacht über Sein Volk und gibt ihm zur rechten Zeit den Retter. «Zu dieser Zeit wurde Moses geboren.» Gott, der ihn erwählt hatte, gab ihm ein göttliches Merkmal, das nur der Glaube seiner Eltern zu entdecken vermochte: Er war ausnehmend schön, «schön für Gott». «Durch Glauben», heißt es in Hebräer 11, «sahen sie, dass das Kindlein schön war; und sie fürchteten das Gebot des Königs nicht.» Der Glaube handelt nach den Gedanken Gottes und fürchtet sich nicht vor den widerstreitenden Mächten.
Die Tochter des Pharao nahm ihn zu sich und zog ihn auf, sich zum Sohne. In Wirklichkeit aber zog sie ihn, ohne es zu wissen, für Gott selbst auf, und das sogar im Hause dessen, der ihn vernichten wollte. Die Wege Gottes nehmen ihren Lauf, trotz des Feindes, der sich durch seine Machenschaften nur selbst betrügt.
Moses wurde in aller Weisheit der Ägypter unterwiesen: «Er war aber mächtig in seinen Worten und Werken.» Man möge beachten, dass die Worte hier vor die Werke gestellt werden. Das ist die Weise des natürlichen Menschen. Bei denen die von Gott belehrt sind, ist es anders. Unser Herr ist der beste Beweis dafür. In Lukas 24,19 lesen wir: «Jesus… ,der ein Prophet war, mächtig im Werk und Wort vor Gott und dem ganzen Volke». In 2. Thess. 2,17: Gott aber «tröste eure Herzen und befestige euch in jedem guten Werk und Wort». In 1. Joh. 3,18: «Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten, noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit.» Am Saum des hohenpriesterlichen Kleides hatte es ebenso viele Granatäpfel wie Schellen von Gold. Bei uns aber gibt es leider oft mehr Gerede als Früchte! Als Moses in der Schule Gottes gewesen war, wollte er nicht mehr reden; Gott musste ihn dazu zwingen.
Verse 23 bis 28
Die Menschen und die Reichtümer am Hofe des Pharao vermochten Moses nicht daran zu hindern, an sein Volk zu denken. «Als er aber ein Alter von vierzig Jahren erreicht hatte, kam es in seinem Herzen auf, nach seinen Brüdern, den Söhnen Israels, zu sehen.» Er hatte sie nicht aus den Augen verloren. Mit dem Herzen und durch Glauben mit ihnen verbunden, mochte er gedacht haben, Gott habe ihn an diesen Platz gesetzt, damit er ihnen von seiner hohen Stellung aus zu Hilfe eilen und sie befreien könne. Aber sein Glaube musste von jeder menschlichen Stütze entblößt werden, um sich völlig auf die Hand Gottes stützen zu lernen. Daher hatte sein fleischliches Eingreifen, das zwar aus dem Glauben hervorging, nur zur Folge, dass er in die Wüste floh, wo alle Energie des Fleisches vernichtet werden musste. Um einen seiner unterdrückten Brüder zu befreien, tötete er einen Ägypter. Er meinte, seine Brüder würden verstehen, dass Gott ihnen durch seine Hand Rettung gebe. Das beweist uns, dass er tatsächlich der Überzeugung war, Gott werde ihn zu diesem Zweck gebrauchen. Als er aber zwei sich streitende Israeliten zum Frieden treiben wollte, stieß ihn der Schuldige zurück und sagte: «Wer hat dich zum Obersten und Richter über uns gesetzt? Willst du mich etwa umbringen, wie du gestern den Ägypter umgebracht hast?»
Durch die Erwähnung dieser Tatsachen machte der Heilige Geist das Synedrium auf die Übereinstimmung der Gesinnung der Israeliten in Ägypten gegenüber Mose mit dem Verhalten der Juden in Jerusalem gegenüber Christo, ihrem großen Befreier, aufmerksam.
In der Rede des Stephanus lassen sich sieben grosse Tatsachen feststellen, die das eigentliche Wesen des Volkes und seine Schuld kennzeichnen:
- Joseph wurde durch seine Brüder verkauft, ein Vorbild von Christo, der in die Hände der Nationen überliefert worden ist.
- Mose wurde zugerufen: «Wer hat dich zum Obersten und Richter über uns gesetzt?» Er ist darin ein Vorbild von Christo, welchem die Autorität und die Rechte mit den Worten abgesprochen worden sind: «In welchem Recht tust du diese Dinge?» und «Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche!» Der Geist Gottes beweist durch diese Beispiele, dass ihre eigene Geschichte im voraus von der Gesinnung Zeugnis gab, in der sie später ihren Messias verwerfen sollten.
- Sie waren Götzendiener.
- Sie widerstritten allezeit dem Heiligen Geiste.
- Sie haben die Propheten, welche die Ankunft des Gerechten zuvor verkündigten, verfolgt und getötet.
- Sie waren Verräter und Mörder dieses Gerechten geworden.
- Sie haben das Gesetz nicht beobachtet.
Der Zustand der Israeliten in Ägypten ist zudem ein Bild jedes Menschen unter der Macht Satans. Misshandelt von den Ägyptern, sind sie auch mit sich selber im Streit: «einander hassend». Ist es nicht auffallend, dass der, welcher seinem Bruder Unrecht tat, es war, der Mose mit den Worten zurückstieß: «Wer hat dich zum Obersten und Richter über uns gesetzt?» Und war das nicht auch das Verhalten der schuldbeladenen Juden gegenüber dem Herrn? Als Moses seinen Bruder vor dem Ägypter verteidigte, wurde seine Hilfe nicht abgewiesen. Aber als die Israeliten sich stritten, da begehrte der Schuldige laut auf und stieß Moses zurück. Die Juden hätten den Herrn wohl aufgenommen, wenn Er sich damit begnügt hätte, sie vom Joch der Römer zu befreien. Sobald Er aber ihren verderbten Zustand ans Licht brachte, verwarfen sie ihn.
Vers 29
Als Moses erkannte, dass der Tod des Ägypters ruchbar geworden war, entfloh er in das Land Midian. Hier wird seine Flucht als eine Folge der Tötung des Ägypters dargestellt. In Hebräer 11 jedoch schreibt Gott seine Handlungen dem Glauben zu. Er kennt die Beweggründe und misst sie nach Seinem Maß, da wo der oberflächliche Blick nur Beweggründe und Werke des Fleisches wahrnimmt. Moses weigerte sich, ein Sohn der Tochter Pharaos zu heißen, und wählte, mit dem Volke Gottes Ungemach zu leiden; er hielt die Schmach des Christus für größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung. Das alles erblickte Gott in Moses, als es in dessen Herzen aufkam, nach seinen Brüdern zu sehen. Welche Gnade ist es doch, dass Gott selbst unsere Handlungen und die unserer Brüder nach ihrem wahren Werte einschätzt und nicht wir selbst es tun müssen! Moses gab sich über den Wert seiner Handlungen keine Rechenschaft, aber Gott wusste sie zu schätzen. Er setzte die Erziehung Seines Knechtes im Lande Midian fort, damit dieser bis zum letzten Augenblick seiner Berufung weiterfahren könne, im Glauben voranzugehen.
Stephanus erklärte, Moses sei in Midian ein Fremdling geworden und habe dort zwei Söhne gezeugt. Von Joseph, dem in Ägypten ebenfalls zwei Söhne geboren wurden, wird das nicht gesagt. Der eine hieß: Manasse der vergessen macht, der andere: Ephraim = doppelte Fruchtbarkeit. Die Umstände Josephs und die des Mose, die beide Vorbilder von Christo sind, waren nicht dieselben. Moses war nicht in einer Stellung der Herrlichkeit wie Joseph. Die Namen, die er seinen beiden Söhnen gab, lassen seine Empfindungen erkennen: Er fühlte sich in einem fremden Lande, dachte mitfühlend an die Bedrückung seiner Brüder in Ägypten und hatte den Wunsch, sie zu befreien. Die Zeit verstrich, und er wurde alt, ohne dass irgend eine Veränderung der Umstände eingetreten wäre. Seinen ersten Sohn nannte er Gersom = Fremdling daselbst, den andern Elieser = mein Gott ist Hilfe. Er bedurfte der Hilfe Gottes, um sich, in Erwartung der Erfüllung Seiner Verheißungen, in diesem Lande aufzuhalten. Sein Glaube wurde während dieser vierzig Jahre auf die Probe gestellt, damit er in der Hand Gottes der Befreier Seines Volkes werde, unbehindert durch das, was er am Hofe des Pharao erworben hatte. Dieser Grundsatz gilt für alle, die Gott in Seinem Dienste verwenden will. Jeder muss in der Zurückgezogenheit und Stille Seine Schule durchlaufen, vielleicht von allen unbeachtet, um im Verborgenen der Gegenwart Gottes zu lernen, dass dem Fleische in Seinem Werke kein anderes Teil zukommt als der Tod. Jeder muss lernen, mit gebrochenem Willen von Gott allein abhängig zu dienen.
In 4. Mose 12,3 finden wir das Ergebnis der Erziehungswege Gottes mit Mose: «Der Mann Mose aber war sehr sanftmütig, mehr als alle Menschen, die auf dem Erdboden waren.»
Kapitel 7, Vers 30 bis 33
«Und als vierzig Jahre verflossen waren, erschien ihm in der Wüste des Berges Sinai ein Engel in einer Feuerflamme eines Dornbusches.» Dieser Strauch, der in 2. Mose 3 als «Dornbusch, der nicht verzehrt wurde» bezeichnet wird, ist ein Bild vom Volk Israel in der Glut der Bedrückung Ägyptens. Das Volk glich in seinem natürlichen Zustande einem solchen Strauche, der zu nichts anderem taugt, als nur zur Nahrung für das Feuer. Der Prophet Micha ruft aus: «Der Beste unter ihnen ist wie ein Dornstrauch, der Rechtschaffenste wie eine Domhecke» (Kap. 7,4). Siehe auch Hesekiel 2,6 und 2. Samuel 23,6-7.
Trotz des glühenden Feuers wurde aber der Strauch nicht verzehrt, weil er das Volk Gottes darstellte. Sein Engel war mit diesem Volke. Schon in der symbolischen Szene in 1. Mose 15 wurde die Feuerflamme, durch welche die Nachkommen Abrahams später hindurchgehen mussten, vorgebildet. Nachdem Gott Abraham versichert hatte, dass er einen Erben, der das Land besitzen sollte, haben würde, fiel Schrecken und dichte Finsternis über ihn. Er gewahrte einen «rauchenden Ofen» und eine «Feuerflamme». Diese Zeichen brachten nicht nur zum Ausdruck, dass Gott mit Abraham einen einseitigen Bund einging (Jer. 34,18), sondern auch, dass der Same Abrahams vor seinem Eintritt in das Land, das er auf Grund der Treue Gottes gegenüber Seinen Verheißungen einst besitzen würde, durch schmerzliche Umstände werde gehen müssen.
Gott handelt auch uns gegenüber nach demselben Grundsatz. Wenn wir durch Prüfungen mancher Art zu gehen haben, so ist es zu unserer geistlichen Erziehung. Wir wissen, dass der Herr Seinem Worte gegenüber treu bleibt. Er wird alles zum guten Ende führen und Seine Verheißungen erfüllen. Das Ziel Gottes mit uns ist die Ruhe und die Herrlichkeit, und Er wird es kraft Seiner Treue und der Vollkommenheit des Werkes Christi erreichen.
Als Moses sich nahte, um «dieses große Gesicht» zu sehen, rief ihm die Stimme des Herrn zu: «Ich bin der Gott deiner Väter, der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs.» Durch diesen Namen erinnerte ihn Gott an Seine Treue in bezug auf die den Vätern gegebenen Verheißungen; Er war der Gott ihres Glaubens. Seine Beziehung zum Volke hatte durch die Zeit der Prüfung keine Veränderung erlitten.
Als Moses erzitterte und nicht mehr hinzuschauen wagte, gebot ihm der Herr: «Löse die Sandale von deinen Füßen, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land.» Moses sollte verstehen lernen, was sich für die geziemt, mit denen Gott in Beziehung steht. So wie die Glut des Feuers verzehrend ist, so verzehrt auch Gott in Seiner Heiligkeit alles, was Seiner Natur zuwider ist. Diese Heiligkeit muss alle kennzeichnen, die mit Ihm in Verbindung stehen, besonders aber Seine Diener. Sie sollen im Selbstgericht vorangehen und in der Absonderung von allem, was mit der Gegenwart Gottes unvereinbar ist. «Seid heilig, denn ich bin heilig!» hat Er Seinem Volke eingeschärft. Darin besteht das Geheimnis des Segens und des fruchtbaren Dienstes. Als Gott in der Herberge Moses anfiel und ihn zu töten suchte, da machte er die ernste Erfahrung, dass nicht nur er persönlich, sondern auch sein ganzes Haus dem Wesen des Gottes der Heiligkeit zu entsprechen hatte.
Vers 34
«Gesehen habe ich die Misshandlung meines Volkes, das in Ägypten ist», sagte Gott, «und ihr Seufzen habe ich gehört, und ich bin herniedergekommen, sie herauszureißen.» Wie sind doch diese Worte so voller Güte! Gott hat Augen um zu sehen und Ohren, um alles zu hören, was Sein Volk zu ertragen hat. Aber Er hat auch die Macht, um es zu befreien. Die Zeit der Trübsal war nun abgelaufen und die Befreiung stand vor der Tür.
So wird es auch dem künftigen Überrest ergehen. Gott wird seinen Leiden nicht gleichgültig gegenüberstehen, sondern ihn im gegebenen Augenblick befreien. Für alle, die durch Trübsal zu gehen haben, gibt es einen von Gott festgesetzten Zeitpunkt, den das Leiden nicht zu überschreiten vermag.
Diese herzbewegenden Worte Gottes hätten Moses genügen sollen, um ohne Widerrede zu gehorchen, als Gesandter Dessen, der gegenüber Seinem Volke von Mitleid erfüllt und herabgekommen war, um es zu befreien. Stephanus blieb nicht bei den Schwachheiten Moses stehen, sondern hob – im Gegenteil – den Wert dieses Mannes Gottes hervor, den das Volk verworfen hatte.
Vers 35 bis 37
Stephanus erinnert daran, dass Moses, den sie mit den Worten: «Wer hat dich zum Obersten und Richter gesetzt?» verworfen hatten, der war, den Gott als Obersten und Retter gesandt hatte «mit der Hand des Engels, der ihm in dem Dornbusch erschien.» Diese beiden Titel «Oberster und Retter» erinnern an zwei Herrlichkeiten Christi: an Seine Rechte und Seine Autorität, die in Seiner Herrschaft völlig offenbar werden – und an die Macht, in der Er das Volk aus Leiden und Knechtschaft befreien wird. Durch die Verwerfung des Herrn hatten die Juden auch die ihnen angebotenen Segnungen ausgeschlagen. Sie werden später durch Den, welchen Gott zum Herrn und Christus gemacht hat, dem leidenden Überrest gebracht werden. Stephanus beharrt auf der Tatsache, dass dieser Moses, den sie verworfen hatten, es war, der das Volk aus Ägypten führte und der während mehr als vierzig Jahren sowohl Zeichen als auch Wunder tat, im Lande, im Roten Meer und in der Wüste. In diesen drei verschiedenen Bereichen hatte sich durch ihn die Macht Gottes entfaltet. Diese Macht ist durch das Kreuz auch für uns wirksam geworden: Sie hat uns von der Welt und vom Gericht befreit und begleitet uns durch die Wüste. Nur verwirklichen wir diese drei Dinge nicht nacheinander, sondern miteinander. Wenn wir aber am Ziele angelangt sind, bedürfen wir keiner Entfaltung der Macht mehr; unsere Befreiung ist dann vollständig. «Dieser ist der Moses, der zu den Söhnen Israels sprach: «Einen Propheten wird euch Gott aus euren Brüdern erwecken, gleich mir; ihn sollt ihr hören.» Diese Worte waren ein Appell an das Gewissen des Volkes, das sich geweigert hatte, auf den Herrn, also auf den durch Moses angekündigten Propheten zu hören. Die Zuhörer wurden dadurch vor den Ernst ihrer Sünde gestellt. Der Prophet «gleich mir» ist ein Hinweis auf die Menschheit Jesu, in der Er erschien, um den Dienst eines Propheten in der Mitte des Volkes zu erfüllen.
Verse 38 bis 40
Dieser Moses «ist es, der in der Versammlung in der Wüste mit dem Engel, welcher auf dem Berge Sinai zu ihm redete, und mit unseren Vätern gewesen ist; der lebendige Aussprüche empfing, um sie uns zu geben; welchem unsere Väter nicht gehorsam sein wollten». Die Aussprüche werden hier als lebendig bezeichnet; sie waren der Ausdruck der Gedanken des lebendigen Gottes. Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam. Diese Aussprüche waren dem Willen der Väter entgegengesetzt. Sie wollten sich ihnen nicht unterwerfen, denn der Wille des Menschen ist dem Willen Gottes nicht untertan. Der Herr sagte zu den Juden: «Ihr wollt nicht zu mir kommen, auf dass ihr Leben habet.» Wie oft hört man heute den Ausspruch: «Ich kann nicht glauben!» Aber es wäre aufrichtiger, zu sagen: «Ich will nicht glauben!» Wie die Väter sich den Aussprüchen Gottes durch Moses nicht unterworfen haben, so waren auch diese Juden nicht gewillt, auf Christum, den ihnen durch Gott erweckten Propheten zu hören. Jesus sagte ihnen deshalb: «Wenn ihr Moses glaubtet, so würdet ihr mir glauben, denn er hat von mir geschrieben» (Joh. 5,46).
Sie stießen Mose von sich und wandten sich in ihren Herzen nach Ägypten zurück, indem sie zu Aaron sagten: «Mache uns Götter, die vor uns herziehen sollen; denn dieser Moses, der uns aus dem Lande Ägypten geführt hat – wir wissen nicht, was ihm geschehen ist.» Dieses Verlangen des Volkes zeugte von einer unerhörten Leichtfertigkeit. Nachdem sie Zeugen der Majestät Gottes gewesen waren, die sich am Sinai in so furchtbarer Weise kundgetan hatte, und nachdem sie gesehen hatten, wie Gott aus dem Feuer heraus mit Mose redete, kehrten ihre Herzen zu den Götzen zurück! Ihre Zuneigungen galten den sichtbaren Göttern. Ägypten, dem sie unterjocht waren, hatte Götzen, die dem natürlichen Herzen entsprachen.
Und so hat auch die durch Satan beherrschte heutige Welt eine Religion. Sobald man sich einen Götzen formt, kehrt das Herz zur Welt zurück; denn der Gegenstand des Glaubens kann dem natürlichen Herzen keineswegs genügen.
Vers 41
«Und sie machten ein Kalb in jenen Tagen und brachten dem Götzenbilde ein Schlachtopfer und ergötzten sich an den Werken ihrer Hände.» Das ist es, was den Gottesdienst des natürlichen Menschen, der Gott verwirft, kennzeichnet. Statt sich des Werkes Gottes zu freuen, erfreut er sich an dem Werke seiner Hände. Nach der Entrückung der Versammlung Gottes wird diese Tatsache in der Christenheit in vollem Maße erkennbar sein. Der natürliche Mensch formt sich den Gegenstand seines Gottesdienstes selbst und weiß nicht, dass die Dämonen dahinter stehen. Dann wird sie Gott dem Dienste der Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern ausliefern. Wie schrecklich!
Vers 42 bis 53
Die Gestirne wurden in der Vergangenheit unter der Wirksamkeit Satans zum Ausgangspunkt des Götzentums (siehe u. a. 2. Könige 23,5-11; Jer. 7,18). Stephanus führte eine Stelle aus Amos 5,25-27 an, die von diesem Götzendienst spricht: «Habt ihr etwa mir vierzig Jahre in der Wüste Opfertiere und Schlachtopfer dargebracht, Haus Israel? Ja, ihr nahmet die Hütte des Moloch auf und das Gestirn eures Gottes Remphan, die Bilder, welche ihr gemacht hattet, sie anzubeten; und ich werde euch verpflanzen über Babylon hinaus.» Der Prophet kündigte ihnen als Folge ihres Götzendienstes, dem sie sich in all den Jahren ihrer Geschichte hingegeben hatten, die Wegführung durch Nebukadnezar an. In der Anführung des Propheten Amos in der Apostelgeschichte ändert der Geist Gottes einige Worte. Dort heißt es: «So werde ich euch jenseits Damaskus wegführen», und diese Prophezeiung hat sich in der Wegführung des Volkes nach Babel erfüllt. Jetzt aber kündigte der Geist Gottes mit den Worten: «über Babylon hinaus» ein ausgedehnteres Gericht an. Denn das Volk sollte nun als Folge seiner Verwerfung des Messias unter alle Völker zerstreut werden (5. Mose 28,64; 5. Mose 30,4). Es ist bemerkenswert, dass Gott mit dem Gericht, das über die Juden kommen sollte, den Götzendienst des Volkes vom Anfang seiner Geschichte an in Verbindung bringt.
Der Platz, den Stephanus Moses einräumt ist belangreich. Er wollte wohl zeigen, wie in Verbindung mit ihm und seinem Dienst, von Anfang an ein böser Zustand offenbar wurde. Der Dienst Christi schloss sich an den des Mose an und hatte damals keinen andern Erfolg. Gott hatte Sein Volk durch Mose befreit und ihm dann durch diesen Knecht Sein Gesetz gegeben. Dieses wurde von allem Anfang an und bis zum Ende übertreten, trotz des Dienstes der Propheten, die das Volk ständig an die Beobachtung der Vorschriften erinnerten. Moses war es, der die Ankunft Christi, des Propheten ankündigte. Aber das war ihnen gleichgültig. Sie kehrten immer wieder zum Götzendienst zurück und werden sich ihm in den letzten Tagen in noch viel schrecklicherer Weise hingeben.
Stephanus fasst ihre ganze Geschichte in den Versen 51 bis 53 noch einmal zusammen.
Verse 44 bis 50
Die Väter nahmen einerseits, als trauriges Merkmal ihrer sittlichen Verdorbenheit, die «Hütte des Moloch» auf, hatten daneben aber auch die Hütte Gottes, als das ihnen von Gott durch Mose gegebene sichtbare und materielle Zeugnis. Stephanus erinnert die Juden daran, dass die Hütte Gottes durch Josua ins verheißene Land eingeführt wurde und David eine Wohnstätte für den Gott Jakobs zu finden begehrte. Dieser Wunsch durfte durch den Bau des Hauses Gottes durch Salomo verwirklicht werden. Trotz dieser sichtbaren Zeichen der Gegenwart Gottes und des Eigenruhms des Volkes, den Tempel Gottes zu besitzen, diente es fremden Göttern.
Selbst im Zusammenhang mit dem Tempel Salomos führt Stephanus die Stelle aus Jesaja 66,1-2 an, aus welcher hervorgeht, dass der Höchste nicht in Wohnungen wohnt, die mit Händen gemacht sind, da ja der Himmel Sein Thron ist und die Erde der Schemel Seiner Füße. Der Prophet sagte dies im Hinblick auf den schlechten Zustand des Volkes, der in den nachfolgenden Versen beschrieben wurde. Die Herrlichkeit Gottes hatte sich schon im Augenblick der Wegführung des Volkes nach Babylon aus dem Tempel zurückgezogen. Gott wohnt im Himmel, dort erblickt Stephanus Seine Herrlichkeit und dort sieht er Jesum zu Seiner Rechten stehen. Es gab wohl eine Behausung Gottes auf der Erde, aber sie wurde aus denen gebildet, die das Volk verwarf und verachtete, weil sie an Jesum glaubten, Den sie gekreuzigt hatten und Den Stephanus nun im Himmel erblickt.
Später war es der Dienst des Apostels Paulus, diese Wahrheit bekanntzumachen.
Verse 51 bis 53
Nachdem Stephanus vor den Juden die ganze traurige Geschichte des Volkes, in welcher sie nur das Nachwort darstellten, aufgerollt hat, kommt er auf ihren eigenen bösen Zustand zu sprechen, in dem sie sich, ungeachtet der Langmut und der Güte Gottes, befanden. Diese Langmut nahte sich nun ihrem Ende. «Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herz und Ohren!, ihr widerstreitet allezeit dem Heiligen Geiste; wie eure Väter, so auch ihr.» In seiner ganzen Rede sagte Stephanus «unsere Väter», jetzt aber, da sich ihre endgültige Auflehnung gegen Gott kundtut, sondert er sich von ihnen ab und sagt «eure Väter». Sie, die Halsstarrigen, hatten sich nie dem Willen Gottes unterworfen. Das Herz dieser Unbeschnittenen an Herz und Ohren war nie berührt und ihre Zuneigungen nie für Ihn gewonnen worden. Ihre Ohren waren für Seine Stimme nie offen gewesen, und sowohl ihre Väter als auch sie hatten allezeit dem Heiligen Geiste widerstritten. Anstatt auf die von Gott gesandten Propheten zu hören, die sie zum Gesetz zurückzuführen suchten, hatten sie diese Boten verfolgt. Sie haben die getötet, welche die Ankunft Jesu verkündigten, den Stephanus, im Gegensatz zu ihrer Untreue «den Gerechten» nennt. Sie haben diesem unaufhörlichen Widerstand gegenüber dem Heiligen Geist die Krone aufgesetzt. Nicht nur haben sie Jesum verworfen, der in Gnade zu ihnen gekommen ist, sie verwerfen nun auch das Zeugnis des Heiligen Geistes über den verherrlichten Herrn Jesus, sie, die das Gesetz durch Anordnung von Engeln empfangen und nicht beobachtet haben. (Siehe Gal. 3,19; Hebr. 2,2.)
Verse 54 bis 56
Beim Hören solcher Vorwürfe, aus dem Munde eines griechischen Juden, schäumten sie vor Wut und knirschten mit den Zähnen gegen Stephanus. Sie hatten sich doch seit der Rückkehr aus der Gefangenschaft nicht mehr dem Götzendienst hingegeben und behaupteten, das Gesetz zu halten! Diese satanische Wut wurde hervorgerufen durch die Wahrheit, die vor das verhärtete Gewissen dieser Gott widerstreitenden und Jesum hassenden Menschen hingestellt worden war. Diese Szene macht den Gegensatz zwischen dem Licht und der Finsternis offenbar: Auf der einen Seite die Juden in der Finsternis des Unglaubens, erfüllt von satanischer Wut, im Widerstreit mit dem Heiligen Geiste – und daneben dieser vom Geiste erfüllte Stephanus, der die Augen zum Himmel emporhebt und die Herrlichkeit Jesu widerstrahlt, den Er zur Rechten Gottes erblickt: «Siehe, ich sehe die Himmel geöffnet, und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen»!
Nun war für die Juden alles verloren. Sie wurden von Gott beiseite gesetzt und bald kamen Seine Gerichte über sie, die dem «hochgeborenen Mann, der in ein fernes Land zog, um ein Reich für sich zu empfangen» in Stephanus eine Gesandtschaft hinterher geschickt hatten, um ihm zu sagen: «Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche» (Lukas 19,12-14).
Auch für die Gläubigen ergab sich aus der endgültigen Verwerfung Jesu durch das Volk eine große Änderung. Bis dahin waren ihre Augen auf den Herrn gerichtet gewesen, in der Meinung, Er werde wiederkommen um zu herrschen, sobald das Volk Ihn aufnehmen würde. Nun aber blieb Jesus, der Gegenstand ihres Glaubens, im Himmel, als himmlischer Christus. Auf die Erfüllung der irdischen Verheißungen war während der Zwischenzeit der Versammlung nicht mehr zu hoffen. Stephanus ist die Verkörperung des Gläubigen, der sein Teil und den Gegenstand seines Glaubens in einem himmlischen Christus besitzt. Das macht ihn in dieser Welt zu einem Fremdling, erhebt ihn über die sichtbaren Dinge und macht ihn fähig, hienieden die herrlichen Wesenszüge Jesu zurückzustrahlen. Er sieht den geöffneten Himmel, die Herrlichkeit Gottes und Jesum zu Seiner Rechten. Er genießt diesen Anblick, gibt aber Zeugnis von dem Sohne des Menschen, der zur Rechten Gottes steht. Den Titel «Sohn des Menschen» hat Jesus im Zusammenhang mit Seiner Verwerfung angenommen. Stephanus sieht Ihn nicht als Messias, dessen Rechte sich nur auf Israel erstrecken – was die Juden noch hätten anerkennen können – er schaut Ihn als Den, welchem nach Psalm 8 die ganze Welt unterworfen sein wird. Er sieht Ihn stehen. Bis dahin war Er bereit gewesen, wiederzukommen und Petrus hatte Ihn auch so beschrieben (Kap. 3). Nach dem Empfang der Gesandtschaft aber setzte Er sich zur Rechten Gottes, «fortan wartend, bis seine Feinde gelegt sind zum Schemel seiner Füße» (Hebr. 10,12.13). Inzwischen übt Er für die Seinen das Priestertum aus bis zum Augenblick, wo Er sie bei Sich im Himmel haben wird.
Verse 57 bis 60
Dieses letzte für Jesum abgelegte Zeugnis ist für diese unbeschnittenen Ohren zu viel. Sie überschreien Stephanus, halten sich die Ohren zu und stürzen einmütig auf ihn los. Die Übereinstimmung ist hier ebenso völlig wie damals, als sie Pilatus zuriefen: «Hinweg, hinweg! kreuzige ihn!» Sie stoßen ihn zur Stadt hinaus, um ihn zu steinigen. In ihrer Verblendung begehen sie diesen Mord unter Beobachtung der Vorschriften des Gesetzes! Sie nehmen sich Zeugen, die ihre Kleider zu den Füßen des Jünglings Saulus niederlegen und die dann Stephanus nach 5. Mose 17,5-7 außerhalb der Stadt steinigen. Die religiösen Formen wurden dabei gewahrt, wie dies auch beim Tode Jesu der Fall war. Die schlimmsten Dinge können mit religiösen Formen in Einklang gebracht werden. «Sie steinigten den Stephanus, welcher betete und sprach: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Und niederknieend rief er mit lauter Stimme: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu! Und als er dies gesagt hatte, entschlief er.» Stephanus beherrscht diese Szene in der Kraft des Heiligen Geistes. Er ist mehr als Überwinder durch Den, welchen er in der Herrlichkeit schaut. Unter dem Hagel der Steine kniet er ruhig nieder und entschläft. Dieses Entschlafen ist charakteristisch für den Tod des Gläubigen. Der Herr sagte zu den Jüngern: «Lazarus, unser Freund, ist eingeschlafen.» Es ist nicht mehr der Tod mit seinen Schrecken, der Herr hat ihn überwunden; und solange Er noch nicht herabkommen kann um hienieden Sein Reich aufzurichten, gehen die Seinen zu Ihm, um dort mit Ihm auf den Augenblick Seiner Wiederkehr zu warten. Der Heimgang des Stephanus kennzeichnet in dieser Hinsicht den Heimgang aller Erlösten der gegenwärtigen Haushaltung. Sie sind ausheimisch von dem Leibe, aber einheimisch bei dem Herrn.
Saulus willigte in die Tötung des Stephanus mit ein. Er war ohne Zweifel ein junger Mann, der bei den Juden etwas galt und ein überzeugter Verfolger Christi zu werden schien. Der Geist Gottes erwähnt ihn in diesem Augenblick der Kirchengeschichte, weil er das von Gott auserwählte Gefäß war, um die himmlische Stellung der Versammlung, die mit einem verherrlichten Christus in Verbindung steht, zu offenbaren. Diese Offenbarung konnte nun, nachdem das Zeugnis des Heiligen Geistes an das Volk verworfen worden war, ihren Lauf nehmen. Fortan sollten alle Gläubigen, selbst die Apostel durch den Dienst des Paulus alle die Wahrheiten über die Stellung des Herrn im Himmel als Haupt Seines Leibes, über die Stellung der Seinigen in Ihm, über das Hohepriestertum Christi und andere Tatsachen kennen lernen. Der Himmel ist von da an nach den Belehrungen des Hebräerbriefes für die Seinigen offen geblieben.
Zu Beginn des Dienstes Jesu öffnete sich der Himmel und Gott rief Sein Wohlgefallen über Seinen vielgeliebten Sohn aus. Von jenem Augenblick an sah der Himmel den erhabenen Gegenstand, der von Ewigkeit her die Wonne Gottes war, auf der Erde. Dieser von den Menschen verkannte und verworfene Sohn ist in den Himmel aufgenommen worden. Und der Himmel öffnet sich jetzt, damit die Gläubigen von der Erde aus den Herrn als Gegenstand ihres Herzens betrachten können, bis sie bei Ihm sind. Der Himmel wird sich von neuem öffnen (Offb. 19) und der Herr wird ihn im Triumphzug als Sieger verlassen, gefolgt von allen den Seinigen, um Gericht auszuüben über die, welche nicht wollten, dass Er über sie herrsche und über alle jene, die nach Psalm 2 sich gegen Ihn erhoben haben.
Kapitel 8, Verse 1 bis 2
«Es entstand aber an jenem Tage eine große Verfolgung gegen die Versammlung, die in Jerusalem war; und alle wurden in die Landschaften von Judäa und Samaria zerstreut, ausgenommen die Apostel». Der Plan des Feindes, das Werk Gottes zu zerstören, diente nur zur Erfüllung der göttlichen Ratschlüsse. Die durch die Verfolgung zerstreuten Gläubigen trugen das Evangelium aus Jerusalem hinaus und verkündigten es später sogar den Heiden (Kapitel 11,19-26). Wären die Apostel sich selbst überlassen gewesen, so hätten sie das Werk nicht so schnell nach außen hin verbreitet, obwohl ihnen der Herr gesagt hatte, dass sie «sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde» Seine Zeugen sein sollten (Kap. 1,8).
Aber wir ersehen aus dieser Stelle die freie und unumschränkte Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Er vermag zur Ausführung des Werkes Gottes wen irgend Er will zu benützen. Da bedient Er sich der Zerstreuten, um das Evangelium außerhalb Jerusalems zu verkündigen. Dort sendet er Philippus, einen griechischen Juden, mit einem besonderen Auftrag auf eine einsame Straße, wie Er sich auch in Jerusalem selbst des Stephanus, eines Hellenisten, bedient hatte. Durch solche Instrumente wurde hier also das Werk getan und nicht durch die Zwölfe. Und dennoch wurde, wie Paulus in Kolosser 1,23 erwähnt, das Evangelium «in der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist», verkündigt.
Die Zwölfe blieben in Jerusalem zurück. Im Brief an die Hebräer wurde den Gläubigen später gezeigt, dass sie diese Stadt verlassen und aus dem «Lager» hinausgehen sollten, unter der Begründung: «Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir» (Hebr. 13,14). In der Weltgeschichte wird beschrieben, wie die Christen bei der Belagerung Jerusalems durch die römische Armee dank einer göttlichen Fügung aus der Stadt entweichen konnten.
Im 2. Vers wird durch den Heiligen Geist festgehalten, dass gottesfürchtige Männer den Stephanus bestatteten und eine große Klage über ihn anstellten. Gott ehrt die sterbliche Hülle Seiner Vielgeliebten. Dieses Begräbnis erinnert an das Wort, das über den Herrn gesagt wurde: «Man hat sein Grab bei Gesetzlosen bestimmt, aber bei einem Reichen ist er gewesen in seinem Tode.» Gott ehrt die, welche Ihn fürchten (Psalm 15,4). Das kann man immer wieder feststellen, wenn der Leib eines Kindes Gottes zu Grabe getragen wird.
Vers 3
Saulus verwüstete die Versammlung mit schrecklicher Wut. Im folgenden Kapitel wird uns berichtet, wie er die zerstreuten Gläubigen bis nach Damaskus verfolgte, «über die Massen gegen sie rasend» (Apg. 26,11). Aber das Werk des Feindes dient nur dazu, das Werk Gottes hervortreten zu lassen, denn Satan ist ein überwundener Feind. Die gewalttätige Energie und der Hass des Saulus gaben seiner Bekehrung und seinem Werke nur um so mehr Aufsehen.
Verse 4 bis 8
Inzwischen breitete sich, wie wir gesehen haben, das Werk immer mehr aus. «Die Zerstreuten nun gingen umher, und verkündigten das Wort», das Wort des Lebens, das sie selber in ihren Herzen aufgenommen hatten. Das Werk Gottes kann von dem Augenblick an in einer Seele beginnen, wo sie mit dem Worte Gottes durch die Kraft des Heiligen Geistes in Berührung kommt.
Diese Jünger waren von Christo erfüllt. Statt durch die Verfolgung, durch den Verlust ihrer Güter und die Leiden, die sich daraus ergaben, niedergeschlagen zu sein, wünschten sie, andere an ihrem Glück teilnehmen zu lassen. Welche Lektion für uns, die wir uns so leicht durch widerwärtige Umstände entmutigen und aufhalten lassen! Diese glücklichen Gläubigen erhoben sich durch den Glauben über die Umstände. Sie machten es offenbar, dass die Freude des Christen ihre Quellen im Herrn hat und nicht in den Dingen, die dem Fleische angenehm sind.
Philippus war einer der sieben Diener oder Diakone in der Versammlung (Kap. 6). Er hatte wie Stephanus wohlgedient und sich so eine schöne Stufe und viel Freimütigkeit im Glauben, der in Christo Jesu ist, erworben (1. Tim. 3,13). Er ging in eine Stadt Samarias hinab und predigte ihnen den Christus. In Kapitel 11,20 wird erwähnt, dass einige zu den Griechen redeten, die nichts von Christo wussten, und dass sie ihnen den Herrn Jesus verkündigten. Den Samaritern aber, die – wie aus den Worten der Samariterin in Johannes 4,25 hervorgeht – den Christus erwarteten, wurde der Christus gepredigt. Philippus konnte ihnen sagen, wer dieser Christus ist und was Er für sie getan hat. Er «predigte ihnen den Christus», Seine Person und nicht nur Lehren, «und die Volksmenge achtete einmütig auf das, was von Philippus geredet wurde.» Die Kraft des Heiligen Geistes begleitete das Wort mit Zeichen, die auf die «Wunder des zukünftigen Zeitalters» hindeuteten: Die Dämonen, gezwungen, sich der Kraft des Heiligen Geistes zu ergeben, fuhren aus, mit lauter Stimme schreiend; und viele Kranke wurden geheilt. «Und es war eine große Freude in jener Stadt.»
Verse 9 bis 13
«Ein gewisser Mann aber, mit Namen Simon, befand sich vorher in der Stadt, der Zauberei trieb und das Volk von Samaria außer sich brachte, indem er von sich selbst sagte, dass er etwas Großes sei, welchem alle, vom Kleinen bis zum Großen, anhingen, indem sie sagten: Dieser ist die Kraft Gottes, die man die Große nennt.» Inmitten dieses durch Simon getäuschten und betrogenen Volkes war es, wo Philippus «das Evangelium von dem Reiche Gottes und dem Namen Jesu Christi verkündigte». Das Reich Gottes ist die Sphäre, in welcher die Rechte und die Autorität Gottes anerkannt werden. Der Name Jesu Christi ist der Ausdruck Seiner Person als Gegenstand des Glaubens während Seiner Abwesenheit. Die Samariter glaubten nicht der Wunder wegen, sondern weil sie die gute Botschaft von der neuen Ordnung der Dinge Gottes und von der Person Christi, die ihnen vorgestellt worden war, gehört hatten. Als sie aber glaubten, wurden sie getauft, «sowohl Männer als Weiber».
Aber auch Simon glaubte, und nachdem er getauft worden war, hielt er sich zu Philippus. Er, der die Menschen lange Zeit durch seine Zaubereien außer sich gebracht hatte, geriet nun selber in Erstaunen über die Zeichen und großen Wunder, welche geschahen. Bei ihm ging das Werk Gottes nicht tief, da war nur eine fleischliche Reaktion auf die Offenbarungen der Kraft Gottes. Er hatte geglaubt wie jene, denen sich der Herr nicht anvertraut hatte (Joh. 2,23-25).
Verse 14 bis 17
Als aber die Apostel, welche in Jerusalem waren, gehört hatten, dass Samaria das Wort Gottes angenommen habe, sandten sie Petrus und Johannes zu ihnen, die das durch den Heiligen Geist gewirkte Werk nur bestätigen konnten. Diese Gläubigen hatten wohl Leben empfangen, besaßen aber noch nicht den Heiligen Geist, durch welchen sie erst in den vollen Genuss ihrer Segnungen und ihrer Beziehung zu Gott als ihrem Vater, eintreten konnten. Diese beiden Apostel kamen in völliger Abhängigkeit von Gott und beteten für die Gläubigen, damit sie den Heiligen Geist empfangen möchten. «Denn er war noch nicht auf einen von ihnen gefallen», wie es am Tage der Pfingsten geschehen war. Dann legten sie ihnen die Hände auf, und sie empfingen den Heiligen Geist.
Die Apostelgeschichte berichtet uns von vier verschiedenen Weisen, in welchen der Heilige Geist auf die Gläubigen kam. Im ersten Fall (Kapitel 2) kam Er gemäß der Verheißung des Herrn vom Himmel hernieder. Er fiel auf die versammelten Gläubigen und erfüllte sie mit Kraft. Gott, der Heilige Geist, nahm damit Besitz von Seinem Hause. Dieses Ereignis wird nicht wiederholt.
Hier in diesem zweiten Fall kam der Heilige Geist auf die Samariter, mit welchen die Juden keine Beziehungen hatten. Nachdem sie das durch Philippus verkündigte Evangelium geglaubt hatten, wurden sie getauft. Dieses Werk wurde von den Aposteln in Jerusalem anerkannt. Petrus und Johannes beteten, damit auch sie, wie die Gläubigen aus den Juden, den Geist empfangen möchten. Sie hatten ihnen dabei die Hände aufgelegt, um damit ihrer völligen Gemeinschaft Ausdruck zu geben. Wenn die Juden einerseits erkennen mussten, dass die Gläubigen in Samaria auf demselben Boden der Gnade standen, sollten die Samariter anderseits anerkennen, dass wie der Herr zum Weibe am Jakobsbrunnen sagte – das Heil aus den Juden kommt.
Den dritten Fall finden wir im 10. Kapitel. Dort handelte es sich um Heiden. Fern von Jerusalem, zeigte Gott Petrus und denen, die bei ihm waren, dass im Augenblick, wo die Heiden an den Herrn Jesus glaubten, Gott sie mit Seinem Geiste versiegelt, aus demselben Grunde wie Er auch die gläubigen Juden versiegelte, und sogar bevor diese Heiden getauft worden waren. Petrus musste weder für sie beten, noch – wie den Samaritern – die Hände auflegen. Durch diese göttliche Tatsache musste bei Petrus und den andern Juden jedes noch vorhandene Zögern schwinden.
Der vierte Fall wird uns im 19. Kapitel gezeigt. Dort handelte es sich um gewisse Jünger, die nur mit der Taufe Johannes‘ getauft worden waren. Sie hatten nicht einmal gehört, dass der Heilige Geist da war. Hier legte ihnen der Apostel der Nationen die Hände auf, nachdem sie getauft worden waren, und dann kam der Heilige Geist auf sie. Das war vor allen ein Zeugnis für die Apostelschaft des Paulus. Er konnte sagen: «Ich achte, dass ich in nichts den ausgezeichnetsten Aposteln nachstehe» (2. Kor. 11,5. 23; 12,11-12). So, wie der Heilige Geist den Samaritern durch das Auflegen der Hände der Apostel gegeben wurde (siehe Vers 18 unseres Kapitels), so geschah es dort auch durch den Apostel Paulus.
Beachten wir wohl, dass der Heilige Geist in den drei letzteren Fällen nicht, wie im 2. Kapitel beschrieben, vom Himmel herabkam. Er war schon auf der Erde, war aber bis dahin aus den genannten Gründen noch nicht auf die betreffenden Personen gekommen. Der Heilige Geist ist seit dem Tage der Pfingsten auf der Erde, und die, welche heute noch um den Heiligen Geist beten, befinden sich im Irrtum, umsomehr als sie dabei eine Wunderkraft zu erhalten hoffen, die der Herr Seiner Versammlung in ihrer gegenwärtigen Verwirrung und ihrem Verfall nicht geben kann.
Verse 18 bis 24
Nun war es Simon nicht mehr möglich, das Volk durch seine Betrügereien in Erstaunen zu setzen und sich als «etwas Großes» aufzuspielen. Als Ersatz dafür wünschte er jetzt wie die Apostel die Gewalt zu besitzen, durch das Auflegen seiner Hände den Heiligen Geist zu vermitteln. Er wollte den Aposteln sogar Geld dafür anbieten. Petrus antwortete ihm «Dein Geld fahre samt dir ins Verderben, weil du gemeint hast, dass die Gabe Gottes durch Geld zu erlangen sei. Du hast weder Teil noch Los an dieser Sache, denn dein Herz ist nicht aufrichtig vor Gott.» Die ersten Resultate der Wirkung des Heiligen Geistes sind Aufrichtigkeit, Furcht Gottes, Unterwürfigkeit unter Sein Wort und Selbstgericht. Das ist der Ausgangspunkt der völligen Befreiung, die der Mensch durch wahren Glauben empfängt. Nichts von dem allem war bei Simon zu finden. Durch die Wunder des zukünftigen Zeitalters, wie sie in Hebräer 6 genannt werden, in Erstaunen gesetzt, hatte er nur mit dem Verstande geglaubt. Petrus rief ihn daher zur Buße auf und hieß ihn, den Herrn zu bitten, ob Er ihm etwa den Anschlag seines Herzens vergeben werde. Der Apostel vermochte ihm nicht zu sagen, wie ihm Gott in Seinen Regierungswegen begegnen würde; denn Simon war «in Galle der Bitterkeit und in Banden der Ungerechtigkeit». Simon bat den Apostel, dass er sich für ihn verwenden möge, damit ihm aus seiner Verfehlung keine schlimmen Folgen erwüchsen. Sein Wunsch ging nicht weiter; denn sein Herz war nicht berührt.
Wir sehen in diesem Menschen den Anfang eines christlichen Bekenntnisses ohne Leben, in das er durch die Taufe eingeführt worden war. Ach! was damals von einem Einzelnen gesagt werden musste, ist nun leider eine allgemeine Erscheinung!
Kapitel 8, Vers 25
Nachdem Petrus und Johannes «das Wort des Herrn bezeugt und geredet hatten, kehrten sie nach Jerusalem zurück und verkündigten das Evangelium vielen Dörfern der Samariter». Die göttliche Weisheit hatte alles so geleitet, dass das durch Philippus begonnene Werk, der eine von den Aposteln unabhängige Gabe besaß, in völliger Gemeinschaft mit den Zwölfen geschah, die vom Herrn jenen besonderen Auftrag nach Matthäus 28,19.20 empfangen hatten. Es war wichtig, dass die Eintracht, die dieses Werk kennzeichnete, erhalten blieb. Es wäre nicht gut gewesen, wenn sich bei den Seelen, die in Samaria das Wort aufgenommen hatten, die Meinung gebildet hätte, sie seien unabhängig von Jerusalem und dem Werke, das der Herr durch die Apostel dort gewirkt hatte. Wenn das Werk ein Werk des Geistes ist, besteht immer Eintracht. Zweifellos zeigen sich darin Verschiedenheiten, aber das stört die Einheit nicht. Zudem hatte der Herr die Schlüssel des Reiches der Himmel Petrus anvertraut. Er war es, der den Juden die Türe des Reiches aufgetan hatte (Kap. 2,37-41); hier öffnete er sie den Samaritern und später auch den Heiden (Kap. 10). Auf der Rückkehr nach Jerusalem setzten Petrus und Johannes das durch Philippus begonnene Werk der Evangelisation in den Dörfern der Samariter fort.
Vers 26
Der Herr benützt einen Engel, um Philippus zu sagen, wohin er gehen soll. Und Philippus gehorcht. Vom menschlichen Gesichtspunkt aus und im Interesse des Werkes hätte Philippus denken können, es sei besser, auf seinem jetzigen, so reich gesegneten Arbeitsfeld zu bleiben, als auf eine öde Straße hinauszugehen. Ein wahrer Diener darf sich aber nicht von seinen eigenen Gedanken über das Werk leiten lassen, sondern nur vom Gehorsam gegenüber dem Herrn. Er muss von Ihm abhängig bleiben, um Seinen Willen zu erkennen, und gehorchen, wenn er ihn kennt. Auf einem solchen Wege wird ihm, wie Philippus, alles zuteil werden, was der Herr zur Erfüllung seiner Aufgabe für ihn zubereitet hat. Nachdem der erste Schritt getan ist, zeigt der Herr den zweiten, und auf diese Weise schreitet der Diener in den guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, voran. Auf einem anderen Wege wäre sein Dienst unfruchtbar oder gar schädlich.
Der Engel des Herrn wurde zu Philippus gesandt und nicht zum Kämmerer. Man könnte vielleicht meinen, ein Engel, der vom Himmel herabkommt, eigne sich besser, um mit einem Menschen vom Herrn zu reden. Aber die Menschen sind es, denen der Herr Gaben gegeben hat, und als die Gegenstände der Gnade vermögen sie von ihr zu reden. Was die Sünder erfahren haben, ist den Engeln unbekannt, und sie sind daher außerstande, zu evangelisieren. Sie sind göttliche Boten, die der Herr zum Nutzen Seiner Diener gebrauchen kann. Am Anfang Seines Werkes, das uns in diesen Kapiteln beschrieben wird, sehen wir sie des öfteren in dieser Tätigkeit.
Vers 27 – 35
«Und er stand auf und ging hin.» Da ist kein Zögern, kein Abwägen. Auf dem öden Wege fuhr der Wagen eines Äthiopiers, eines Gewaltigen am Hofe der Kandace, der über ihren ganzen Schatz gesetzt war. Er war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten, und kehrte nun wieder in sein Land zurück. Er saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. Für den Dienst des Philippus war alles vorbereitet. Der Geist sprach zu ihm: «Tritt hinzu und schließe dich diesem Wagen an.» Der Äthiopier hatte sich auf den Boden der Segnung gestellt, den der König Salomo einst für den Fremdling erfleht hatte, der in fernem Lande vom großen Namen Gottes hören und seinetwegen nach Jerusalem kommen würde (1. Könige 8,41-43). «Kommt er», sagte Salomo, «und betet gegen dieses Haus hin: so höre du im Himmel, der Stätte deiner Wohnung, und tue nach allem, um was der Fremde zu dir rufen wird.» Dieses Gebet hatte schon einmal, zu Gunsten der Königin von Scheba, Erhörung gefunden. Aber inzwischen hatte sich für Israel und für die Nationen alles verändert. Das Haus Gottes in Jerusalem war nun öde gelassen, und Gott offenbarte sich jetzt allen Menschen gegenüber in Gnade auf Grund des Werkes Seines Sohnes, den die Juden verworfen hatten. Das war es, was Gott diesem Menschen, der eine so lange Reise unternommen hatte um Ihn anzubeten, mitteilen wollte. Für die Menschen, die zu den «Nationen» gehörten, gab es fortan mehr, als nur «die Brosamen, die von dem Tische ihrer Herren fallen». Das Fest war jetzt für alle bereitet.
Der Geist Gottes führte Philippus in dem Augenblick zum Kämmerer, als dieser einen Abschnitt aus dem Propheten Jesaja las. Diese Stelle spricht vom Werke Christi, das erfüllt werden sollte, um jedem Menschen freien Zugang zu geben, nicht zu Jerusalem, sondern zu allen Segnungen des Christentums. Der Äthiopier hatte in Jerusalem nicht gefunden, was er gesucht hatte. Diese Stadt war nicht mehr der Ort, wo man anbeten musste. Der Ort der Anbetung war nun dort, wo man Jesum kennt und wo Sein Name die Heiligen versammelt. Der Kämmerer hatte nicht mehr nötig, eine so lange Reise zu unternehmen, um anbeten zu können. Auch nahm er nicht, wie einst Naeman einen Wagen voll Erde aus dem Lande Kanaan mit. Was er heimtrug, war weit mehr als das: es war die Erkenntnis Jesu, von dem schon Jesaja gesprochen hatte.
Auf die Frage des Philippus: «Verstehst du auch, was du liesest?» antwortete der Kämmerer: «Wie könnte ich denn, wenn nicht jemand mich anleitet?» Und er bat den Philippus, dass er aufsteige und sich zu ihm setze.
Drei Grundwahrheiten wurden in dieser bekannten Stelle aus dem Propheten Jesaja (Kap. 53,7-8) vor den Kämmerer hingestellt:
- Die Erniedrigung des Herrn und Sein Gehorsam bis zum Tode: «Er wurde wie ein Schaf zur Schlachtung geführt, und wie ein Lamm stumm ist vor seinem Scherer, also tut er seinen Mund nicht auf.» Jesus ließ sich aller Seiner Herrlichkeiten entkleiden, um Sein Werk der Liebe erfüllen zu können.
- «In seiner Erniedrigung wurde sein Gericht weggenommen.» Er befindet sich nicht mehr im Leiden; Er wurde davon befreit und ist auferstanden. Nun ist Er in der Herrlichkeit, und das ist der deutliche Beweis von der Befriedigung, die Gott in Seinem vollbrachten Werke gefunden hat.
- «Wer aber wird sein Geschlecht beschreiben? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen.» Das Wort «Geschlecht» erweckt den Gedanken an eine Nachkommenschaft. Wie der erste Adam sich durch seinen Ungehorsam eine Familie geschaffen hat, die ihm gleicht, so hat sich auch der letzte Adam durch Seinen Gehorsam eine Familie, ein Geschlecht erworben, das alle, die zur Frucht Seines Werkes am Kreuze Gehörenden umfasst. «Von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen.» In Verbindung mit Israel werden die Resultate Seines Werkes im folgenden Kapitel genannt: «Denn der Kinder der Vereinsamten sind mehr als der Kinder der Vermählten.»
Der Kämmerer sagte zu Philippus: «Ich bitte dich, von wem sagt der Prophet dieses? Von sich selbst oder von einem Anderen?» Und so hat der zu ihm gesandte Diener des Herrn nur noch seinen Mund aufzutun: «Anfangend von dieser Schrift, verkündigte er ihm das Evangelium von Jesu.» Diese Szene belehrt uns, wie auf dem Wege eines abhängigen und gehorsamen Dieners alles einfach ist. Er wird dahin versetzt, wo der Herr wirken will, und er braucht nur den Mund zu öffnen. Sein Meister gibt ihm den Gegenstand und die Worte, die er darüber sagen soll. Und dieser Gegenstand ist Jesus. Nicht mehr die Vorbilder – in Seiner Person war jetzt die Wirklichkeit da. Er ist gekommen, um uns Gott zu offenbaren und alles zu erfüllen, was für verlorene Sünder erforderlich war, damit sie Ihn von jetzt an und bis in Ewigkeit genießen konnten.
Verse 36 bis 40
Der Geist Gottes brachte Sein Werk im Herzen dieses Menschen zur Vollendung. Innerhalb weniger Augenblicke wurde ihm alles klar. Er empfing die Wahrheit, die Jesum als gestorben und auferweckt vor ihn hinstellte, und trat in die neue Stellung ein, die ihm dieses Werk erworben hat durch den Tod und die Auferstehung Christi. Er erkannte die Bedeutung dieser Stellung; von jetzt an war er ein Zeuge. Er sagte zu Philippus: «Siehe, da ist Wasser; was hindert mich getauft zu werden?» – «Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus; und der Kämmerer sah ihn nicht mehr, denn er zog seinen Weg mit Freuden.» Das Verschwinden des Philippus betrübte ihn nicht, denn der Gegenstand, der jetzt sein Herz erfüllte, befriedigte ihn vollauf. Der wahre Dienst verbindet das Herz mit Christum und nicht mit dem Menschen.
Es ist wichtig zu bemerken, dass nicht Philippus es war, der dem Kämmerer vorschlug, sich taufen zu lassen. Dieser Neubekehrte verstand, dass es sich bei diesem Akt um ein Vorrecht und nicht um einen Befehl handelt. Er besaß das Leben, das ihm Christus durch Seinen Tod erworben hatte und befand sich jetzt auf der anderen Seite des Todes, auf dem Boden der Auferstehung. Die Sünde und die Welt hinter sich lassend, bekannte er sich durch die Taufe öffentlich zu dieser neuen Stellung. Fortan war er als Jünger Christi bekannt, eingereiht unter das Banner Seines Herrn und Heilandes, dessen Autorität er anerkannte. Er war nun ein Christ.
Noch eine Bemerkung: Die verschiedenen Ausdrücke, die im Worte Gottes für die Taufe verwendet werden, widersprechen sich nicht. Sie stehen alle in Beziehung zu den Herrlichkeiten der Person Christi, auf Den man getauft wird. Nach dem Auftrag, den der Herr Seinen Jüngern gab (Matth. 28,19), sollten sie «auf den Namen des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes» taufen. Denn die neue Ordnung der Dinge, in welche die zu Taufenden eingeführt waren, war gekennzeichnet durch die Offenbarung Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. In Apostelgeschichte 2,38 finden wir die Taufe «auf den Namen Jesu Christi», denn Gott proklamiert in diesem Kapitel die Herrlichkeit dieses Namens, im Gegensatz zu der Verachtung, mit welcher Ihm dieses Volk begegnet ist (Vers 36). In Kapitel 8,16 und 19,5 wird der Ausdruck gebraucht: «auf den Namen des Herrn Jesu», in Kapitel 10,48 «auf den Namen des Herrn», und in Galater 3,27 «auf Christum», im Gegensatz zum Gesetz.
Es ist auffallend, dass die vom Herrn in Matthäus 28 ausgesprochene Formulierung in der Apostelgeschichte nie gebraucht wird. Wie wir schon bemerkt haben, ist der Bericht der Apostelgeschichte nicht ein Bericht des Auftrages, den der Herr den Zwölfen anvertraut hat. Der Apostel Paulus evangelisierte im Hinblick auf die Bildung der Versammlung; er hatte nur Krispus und Gajus, sowie auch das Haus des Stephanas getauft (1. Kor. 1).
Kapitel 9, Verse 1 bis 2
Seit dem Augenblick, da die Zeugen, die Stephanus steinigten, ihre Kleider zu seinen Füßen niedergelegt hatten, war der Hass des Saulus gegenüber den Gläubigen immer größer geworden. Sofort fing er an, die Versammlung zu verwüsten und sowohl Männer als Weiber fortzuschleppen und sie ins Gefängnis zu überliefern (Kap. 8,3). Die daraus hervorgegangene Ausbreitung des Werkes gab seinem Hass neue Nahrung. Er machte sich nun zum Diener der feindseligen religiösen Führer und verfolgte die Gläubigen über Jerusalem hinaus. Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn schnaubend, ging er selbst zum Hohenpriester und erbat sich von ihm Briefe nach Damaskus an die Synagogen, um sowohl Männer als Weiber, die sich zu Jesu bekannten, gebunden nach Jerusalem führen zu können. Es ist erschreckend zu sehen, wie das Böse so rasch fortschreitet und wie unversöhnlich der Hass religiöser Menschen sein kann. Aber gegen die Ratschlüsse Gottes vermag er nichts auszurichten.
Wir haben schon festgestellt, dass Saulus gerade zu dem Zeitpunkt in die Szene trat, als die Nation der Juden durch die Verwerfung des Zeugnisses des Heiligen Geistes vom verherrlichten Christus jede Beziehung zu Gott abgebrochen hatte und durch die Ermordung des Stephanus zu verstehen gab: «Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche.» Nun konnten die Ratschlüsse Gottes hinsichtlich Seiner Versammlung geoffenbart werden. Aber Gott bediente sich dazu nicht der zwölf Apostel. Zu diesem Dienst berief Er den großen Verfolger der Versammlung, die seit dem Herniederkommen des Heiligen Geistes neu gebildet worden war. Saulus sollte der Versammlung ihre himmlische Stellung und ihre Vereinigung mit einem Christus kundtun, der auf der Erde verworfen, im Himmel aber verherrlicht worden ist und der in Herrlichkeit wieder erscheinen wird.
Was den Dienst der drei großen Apostel kennzeichnet, ist die Art und Weise, wie sie den Herrn gesehen haben. Petrus und Johannes sahen Ihn auf der Erde, Paulus in der Herrlichkeit. Petrus hatte bis dahin gepredigt, dass Jesus der Christus sei. Saulus sollte Ihn jetzt als den Sohn Gottes verkündigen (V. 20). Der Herr ließ Saulus in seinem Hass fortschreiten, um an ihm desto deutlicher den Wechsel hervortreten zu lassen, der diesen überzeugten Juden zum Apostel der Nationen, zum Offenbarer des von den Zeitaltern her in Gott verborgenen Geheimnisses, machen sollte.
Verse 3 bis 9
Saulus war schon nahe bei Damaskus und war sich seiner eigenen Bedeutung wohl bewusst. Er betrachtete es als Gewinn, ein religiöser Jude vom Stamme Benjamin, Hebräer von Hebräern, ein nach dem Gesetz tadellos erfundener Pharisäer, ein Feind Christi und Seiner Nachfolger zu sein. Aber da umstrahlte ihn plötzlich ein Licht aus dem Himmel. Er fiel auf die Erde, und eine Stimme sprach zu ihm: «Saul, Saul, was verfolgst du mich?» Auf seine Frage: Wer bist du, Herr? erhält er zur Antwort: «Ich bin Jesus, den du verfolgst. Stehe aber auf und gehe in die Stadt, und es wird dir gesagt werden, was du tun sollst.» Ein Unbekannter richtete sich an ihn mit einer Autorität, die sich mit Macht auf seine erschütterte Seele legte. Wer war er? Es war Jesus, der Nazaräer, den er tot geglaubt hatte, dessen Jünger aber die Welt mit Seiner Lehre erfüllt hatten. Dieser Jesus war in der Herrlichkeit. Petrus hatte den Juden und dem ganzen Hause Israel feierlich zugerufen, dass Gott diesen Jesus, den sie gekreuzigt hatten, sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht habe. Saulus hatte es nicht geglaubt. Der Herr antwortete ihm mit Sanftmut, aber mit Worten, die in sein Gewissen drangen: Warum verfolgst du mich? Was habe ich dir Böses getan? Zugleich enthüllten diese Worte aber auch die Verbindung der Gläubigen mit Christo in der Herrlichkeit. Diese Wahrheit, die der Apostel das «Evangelium der Herrlichkeit» nannte, entwickelte er später in seinem Dienst. Obwohl der Herr verherrlicht ist, trägt Er immer noch den Namen Jesus, in dem sich einst jedes Knie der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen beugen wird. Saulus verstand nun, dass er durch die Verfolgung der Gläubigen auch Jesum, den Herrn selbst, verfolgt hatte. Diese für sein Herz so schmerzliche Tatsache verlor er nie mehr aus den Augen. Er erinnert darin in Galater 1,13-14 und auch in 1. Tim. 1,13. Je größer das Bewusstsein der Gnade ist, deren Gegenstand wir sind, desto tiefer empfinden wir alle in unserem Leben verübten Sünden. Das bewahrt uns in einer demütigen Gesinnung und in der Dankbarkeit gegenüber dem Herrn.
Blind geworden durch das Licht, das ihn umstrahlt hatte, wurde Saulus in die Stadt geführt. Er war drei Tage nicht sehend und aß nicht und trank nicht. Der Herr hielt ihn völlig abgesondert von der Außenwelt, um in ihm das Werk hinauszuführen, das ihn, den nach dem Gesetz unbescholtenen Juden und Feind Christi in einen treuen Knecht umwandeln sollte. Alles was ihn als Menschen nach dem Fleische kennzeichnete und worin er sich gefallen hatte, war in der Gegenwart der Herrlichkeit des Herrn dahingeschwunden. Er achtete alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu. Innerhalb weniger Tage geschah in ihm ein wunderbares Werk: Sowohl er selbst als auch seine Vergangenheit wurden durch den Tod zunichte gemacht, damit er als neuer Mensch zum anderen Ufer gelangen konnte, bereit zu dem Dienst, zu welchem er berufen worden war. Von nun an konnte er sagen: «Wir vertrauen nicht auf Fleisch.» Und: «Nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir.» Bei der Bekehrung verwirklichte Saulus drei Tatsachen, von denen er in 1. Korinther 6,11 spricht: «Aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes.»
- Überzeugt von seiner Schuldhaftigkeit, war er durch die Wirksamkeit des Wortes Gottes in seinem Gewissen gewaschen worden.
- Als Geheiligter war er jetzt von einer gerichteten Welt abgesondert und befreit von den Einflüssen, die ihn auf den eingeschlagenen Weg geführt hatten.
- Durch die Erkenntnis des Werkes der Gnade gerechtfertigt, wurde ihm fortan die Gerechtigkeit zugerechnet, und er konnte jetzt mit dem Heiligen Geiste versiegelt werden.
Vers 10 bis 17
Nach drei Tagen aber gebot der Herr dem Ananias, einem einfachen Gläubigen, aber frommen Mann nach dem Gesetz, zu Saulus zu gehen und ihm die Hände aufzulegen, damit er wieder sehend und mit dem Heiligen Geiste erfüllt werde. Der Herr redet in aller Vertrautheit mit Ananias und erklärt ihm, wo Saulus zu finden ist. Er antwortet auf seine Einwürfe betreffs dieses Verfolgers und teilt ihm dessen Berufung mit. Saulus betete. Er war nun ein vom Herrn abhängiger Mensch. Er hatte Ananias im voraus bei ihm eintreten gesehen. Ananias gehorcht. Der Verfolger war nun ein Bruder geworden. Er legte ihm die Hände auf und sprach: «Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir erschienen ist auf dem Wege, den du kamst, damit du wieder sehend und mit Heiligem Geiste erfüllt werdest.» Der Herr bediente sich zu diesem Dienst eines einfachen Werkzeuges. Der große Apostel Paulus hat den Heiligen Geist durch das Auflegen der Hände eines Gläubigen empfangen, von dem wir nichts Näheres wissen; aber der Herr hatte Ananias gesandt und ihm Vollmacht dazu gegeben. Im vorangegangenen Kapitel haben wir gesehen, dass, wenn der Heilige Geist durch Vermittlung von Menschen gegeben wurde, es nur durch das Auflegen der Hände der Apostel geschah. Paulus aber war in keiner Hinsicht von den Aposteln abhängig, die vor ihm gewesen waren (Gal. 1 und 2).
In den Worten des Herrn an Ananias ist der Dienst des Apostels Paulus zusammengefasst. Er war ein auserwähltes Gefäß. – Es gibt sowohl eine Auserwählung für die Bekehrung als auch eine Auserwählung für den Dienst. – Saulus sollte den Namen des Herrn, diesen Namen, den er hatte zerstören wollen, erstens vor die Nationen und zweitens vor die Könige und Söhne Israels tragen. Als daher das Evangelium auch vor dem Kaiser Nero und seinem Hofe verkündigt war, konnte der Apostel sagen: Ich habe den Lauf vollendet. Mit dem Dienste sind Leiden für den Namen des Herrn verbunden, und Paulus musste dies in besonderer Weise erfahren. Aber diese Leiden sind dem Herrn unendlich kostbar.
Die Augen des Saulus waren jetzt aufgetan. Er war nun in jeder Hinsicht sehend geworden. Er war aus der Finsternis ins Licht gekommen und konnte nicht nur den Heiligen Geist empfangen, sondern auch von Ihm erfüllt werden. Der Heilige Geist hat sich seiner Zuneigung, seiner Gedanken, seiner Intelligenz und seiner Energie bemächtigt, hatte – mit einem Wort – von diesem ganzen auserwählten Gefäß Besitz ergriffen. Er, der eine so große Energie gegen Christum an den Tag gelegt hatte, zeigte von nun an um Seinetwillen eine noch größere Tatkraft. Gott bedient sich der natürlichen Energie, die Er einem Menschen gegeben hat, indem Er sie der Kraft des Heiligen Geistes unterordnet und gleichzeitig jedes Vertrauen ins Fleisch zerstört.
Kapitel 9, Vers 18
«Und alsbald fiel es wie Schuppen von seinen Augen, und er wurde sehend und stand auf und wurde getauft. Und nachdem er Speise genommen hatte, wurde er gestärkt.» Alles, was Saulus in der Verblendung gefangen gehalten und aus ihm einen Verfolger des Herrn gemacht hatte, glich diesen Schuppen, die nun von seinen Augen fielen. Nicht nur wurde ihm sein natürliches Augenlicht wiedergegeben: seine Augen waren ihm jetzt auch für das geöffnet worden, was er noch nie gesehen hatte, für den neuen Zustand der Dinge, in den er nun eingeführt war. Fortan war er ein Jünger des Herrn unter dem Banner Christi. Er befand sich jetzt im Hause Gottes, in welchem er als ein weiser Baumeister arbeiten sollte. Er isst und kommt wieder zu Kräften, nicht um die Versammlung zu verfolgen, sondern um den Dienst, für den er auserwählt war, zu erfüllen.
Verse 19 bis 22
Saulus blieb einige Tage bei den Jüngern in Damaskus und verkündigte in den Synagogen, für die er Briefe empfangen hatte um die Jünger gebunden nach Jerusalem zu führen, dass Jesus der Sohn Gottes sei. Anstatt wie Petrus, Jesum den Juden als den Christus, den von ihnen verworfenen Messias, zu predigen, verkündigte er im Zusammenhang mit seinem Auftrag an die Nationen – Jesum als den Sohn Gottes, der in diese Welt gekommen ist und als solcher der Maria durch den Engel verheißen wurde (Luk. 1,35). Bei der Taufe des Johannes wurde Er von Gott selbst als Sohn Gottes ausgerufen (Matth. 3,17), und jetzt ist Er in die Herrlichkeit aufgenommen, als ein Gegenstand des Glaubens, der die Welt überwindet (1. Joh. 5,5).
Alle, die Saulus so sprechen hörten, gerieten außer sich, da sie ihn ja von früher her kannten. Er aber erstarkte umso mehr und brachte die in Damaskus wohnenden Juden in Verwirrung, indem er bewies, dass dieser Sohn Gottes der Christus ist.
Verse 23 bis 25
Was in diesen Versen erzählt wird, ereignete sich drei Jahre später, als Saulus aus Arabien zurückkehrte. Er erwähnt in Galater 1, 15-18: «Als es aber Gott, der mich von meiner Mutter Leibe an abgesondert und durch seine Gnade berufen hat, wohlgefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren, auf dass ich ihn unter den Nationen verkündigte, ging ich alsbald nicht mit Fleisch und Blut zu Rate und ging auch nicht hinauf nach Jerusalem zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern ich ging fort nach Arabien und kehrte wiederum nach Damaskus zurück. Darauf, nach drei Jahren, ging ich nach Jerusalem hinauf, um Kephas kennen zu lernen, und blieb fünfzehn Tage bei ihm.» Diese drei Jahre der Abwesenheit sind in unserem Kapitel mit den Worten: «als aber viele Tage verflossen waren», umschrieben. Es war anlässlich seiner Rückkehr aus Arabien nach Damaskus, dass die Juden miteinander ratschlagten, ihn umzubringen. Gott fand es nicht für nötig, uns von diesem Aufenthalt in Arabien, während welchem Saulus zweifellos im Hinblick auf den Dienst, zu dem er berufen war, unterwiesen und zubereitet wurde, Näheres mitzuteilen. Der Schreiber der Apostelgeschichte erwähnt jenen Aufenthalt überhaupt nicht, seine Aufgabe war, den Apostel vom Anfang seines Dienstes an in der Mitte der Christen zu zeigen. Im Brief an die Galater hingegen wollte Paulus klarmachen, dass er seinen Dienst unmittelbar vom Herrn in der Herrlichkeit empfangen hatte, ausßerhalb des gesetzlichen Systems und auch nicht von den Aposteln, die mit dem Herrn gewesen waren, da er sie ja erst drei Jahre nach seiner Bekehrung sah.
Saulus hatte in seinem Dienste von Anfang an für den Namen des Herrn zu leiden. Der Hass gegen diesen Namen charakterisierte die Feinde Christi immer noch; sie widersetzten sich einer Lehre, die ihnen den Boden, auf dem sie sich des Menschen rühmen konnten, entzog.
Verse 26 bis 30
Nach seinem Aufenthalt in Arabien suchte er sich in aller Bescheidenheit den Jüngern in Jerusalem anzuschließen. Aber alle fürchteten sich vor ihm, da sie von seiner Bekehrung keine Kenntnis hatten. Barnabas aber brachte ihn zu den Aposteln und erzählte ihnen von dessen Bekehrung und von dessen freimütigem Bekenntnis des Namens Jesu in Damaskus. Diese Einführung des Saulus durch Barnabas zeigt den Grundsatz, nach welchem eine Person der Versammlung vorgestellt werden soll, die zum Tische des Herrn zugelassen werden möchte. Man begegnet Christen, die der Auffassung sind, jeder Gläubige habe ein Recht, ungeprüft am Tische des Herrn teilzunehmen. Aus dieser Stelle ersehen wir aber, dass dazu das Zeugnis von vertrauenswürdigen Personen erforderlich ist, die von unserer Bekehrung und den Beweisen des neuen Lebens in uns sprechen können. In Jerusalem ging Saulus mit den Jüngern aus und ein und sprach freimütig im Namen des Herrn. Nicht nur sprach er von Ihm, sondern auch in Seinem Namen. Er redete nur das, was der Herr ihn lehrte; denn er empfing alles von Ihm. Da haben wir eine beachtenswerte Tatsache: Wer redet, muss es im Namen des Herrn tun können. Er soll als Sein Bote nichts anderes sagen als nur das, was er in Seinem Namen reden kann. Die Hellenisten, also Juden aus der Zerstreuung, die noch nicht aus der Gefangenschaft nach Judäa zurückgekehrt waren, aber am Judentum festhielten, suchten Saulus, der mit ihnen redete und stritt, umzubringen. Der Feind sah in ihm eine Macht, die ihn entwaffnete, und er suchte sie daher von allem Anfang an zu unterdrücken. Die Brüder brachten Saulus nach Cäsarea und von da nach Tarsus, seinem Geburtsort, von wo ihn Barnabas im gegebenen Augenblick nach Antiochien herüberholte.
Kapitel 9, Vers 31
Vier Dinge kennzeichneten die Versammlungen in ganz Judäa, Galiläa und Samaria: Sie waren in Frieden, sie wurden erbaut, sie wandelten in der Furcht des Herrn und wurden vermehrt durch den Trost des Heiligen Geistes. Der Sturm hatte draußen gewütet; drinnen aber hatten sie Frieden. Einen Augenblick lang gab ihnen Gott Erleichterung; und die Versammlungen benutzten dies, um sich zu erbauen und in der Furcht des Herrn zu wandeln. Weder die Versammlungen noch auch die Einzelnen vermögen zu wachsen durch den Trost des Heiligen Geistes, wenn sie nicht treu sind in der Gottseligkeit und in der Furcht des Herrn, in dem sie Seine unumschränkten Rechte über alle, die Ihm angehören, anerkennen.
Verse 32 bis 35
Der Geist Gottes unterbricht den Bericht über die Anfänge des Dienstes des Saulus, um uns noch Einzelheiten von der weiteren Tätigkeit des Petrus mitzuteilen. Durch ihn sollten jetzt auch die Heiden in das Reich eingeführt werden. Der Herr hatte dem Petrus die Schlüssel des Reiches anvertraut. Nachdem er Gläubige aus den Juden hineingeführt hatte, durfte er nun auch Gläubigen aus den Nationen die Türe öffnen. Danach sollte Saulus seinen besonderen Dienst ausüben, um der Versammlung, die schon am Tage der Pfingsten gebildet worden war, ihren himmlischen Charakter, in Verbindung mit einem verherrlichten Christus, kundzutun. Der Dienst des Petrus, durch den Gläubige aus den Juden und den Nationen in die Versammlung eingeführt wurden, bereitete den Boden für den Dienst des Paulus vor. Ihre Aufgaben waren verschieden, aber sie ergänzten sich. Die Diener arbeiteten an demselben Werke und gehorchten dem gleichen Herrn, jeder an seinem Platz. Wenn dieses allezeit und von allen beachtet worden wäre, wieviel Misshelligkeit innerhalb der Versammlung Gottes, von den Tagen der Korinther an bis jetzt, hätten da vermieden werden können!
Petrus, der allenthalben hindurchzog, kam auch zu den Heiligen hinab, die zu Lydda wohnten. Er fand daselbst einen Gelähmten, der schon acht Jahre zu Bett lag, und sprach zu ihm: «Äneas! Jesus, der Christus, heut dich; stehe auf und bette dir selbst!» Er schreibt die Heilung Jesus, dem vom Volke verworfenen Christus zu. Tief beeindruckt von dieser Heilung, bekehrten sich alle, die zu Lydda und Saron wohnten, zum Herrn. Diese Meeresgegend von Saron, die unter der Herrschaft Christi aufblühen wird, empfing in geistlicher Hinsicht jetzt schon die Erstlinge der Segnungen, die durch den Propheten Jesaja angekündigt waren: «Sehen werden sie die Herrlichkeit Gottes, die Pracht unseres Gottes» (Kap. 35,2).
Dadurch, dass er aufstand und sein Bett bereitete, machte Äneas öffentlich die in ihm gewirkte Veränderung kund. So muss es mit dem Werke Gottes in einer Seele immer sein. Man kann es nur an den Früchten erkennen, die von seiner Wirklichkeit Zeugnis geben.
Verse 36 bis 43
Petrus wird nach Joppe gerufen. Dort auferweckt er Dorkas (= Gazelle), und stellt sie den Heiligen und Witwen lebend dar. Diese treue Schwester war «voll guter Werke». Und diese Werke waren ihr nachgefolgt (Offb. 14,13). Die guten Werke der Gläubigen folgen ihnen nicht nur hienieden nach, sondern auch in die Ewigkeit. Man muss die jetzige Zeit zum Wirken solcher Werke benützen, denn im Himmel werden wir keine Gelegenheit mehr dazu finden und keinen Dorkas-Dienst mit der Behendigkeit einer Gazelle mehr ausüben können. Diese treue Jüngerin hatte sich nach Lukas 16,9 mit dem ungerechten Mammon Freunde gemacht. Sie übte einen «reinen und unbefleckten Gottesdienst» aus, indem sie Witwen und Waisen Gutes tat (Jak. 1,27).
Um dieses Wunder der Auferweckung vollführen zu können, folgte Petrus dem Beispiel, das der Herr bei der Auferweckung des Töchterleins des Jairus gegeben hatte. Er trieb alle hinaus. Er wollte mit Gott allein sein, um auf den Knien Sein Eingreifen herabzuflehen. So hatte auch der Prophet Elisa den Sohn der Sunamitin auferweckt (2. Könige 4). Wenn mit den Anwesenden keine Gemeinschaft besteht, ist es besser, im «Obersaal» mit Gott allein zu sein. Der «Obersaal» wird im Wort mehrere Male erwähnt. Da ist man frei von jedem gegensätzlichen Einfluss, um mit dem Herrn verkehren zu können, und da steht der Entfaltung Seiner Macht nichts entgegen.
Durch seine Wirksamkeit wie auch durch die Predigt des Evangeliums vollbrachte Petrus die Wunder des zukünftigen Zeitalters, durch die Gott Sein Volk heilen, ihm Leben geben und die Macht des Feindes im Hinblick auf die Herrschaft Christi zerstören wird. Durch die Wunder der Apostel bestätigte der Herr das Wort, das sie verkündigten. Das geht auch aus dem Schlussvers des Markus-Evangeliums hervor: «Jene aber gingen aus und predigten allenthalben, indem der Herr mitwirkte und das Wort bestätigte durch die darauffolgenden Zeichen.» (Siehe Hebr. 2,4).
Kapitel 10, Verse 1 bis 8
In Judäa, Galiläa und Samaria war das Evangelium schon verkündigt worden. Die Brüder, die durch die Drangsal, welche wegen Stephanus entstanden war, zerstreut worden waren, zogen auch bis nach Phönizien und Cypern und Antiochien hindurch. Aber sie redeten zu niemand das Wort, als allein zu Juden. Philippus war von Asdod aus bis nach Cäsarea vorgestoßen. Nun war der Zeitpunkt gekommen, dass auch den Nationen die Türe des Reiches aufgetan werden konnte. Diese Aufgabe hatte der Herr dem Petrus anvertraut (Matth. 16,19). Aber Er selbst hatte alles dazu vorbereitet, sowohl den Diener als auch die Umstände. Dieser wichtige Dienst des Petrus öffnete den Weg für den Dienst des Apostels Paulus. Dieser sollte nicht nur lehren, dass Menschen aus jeder Nation, die Gott fürchten und Gerechtigkeit wirken, Ihm angenehm sind (V. 35), dass Jesus Christus Herr von allen ist (V. 36), sondern auch dass die aus den Nationen «Miterben seien und Miteinverleibte und Mitteilhaber seiner Verheißung in Christo Jesu durch das Evangelium» (Eph. 3,6).
In Cäsarea, bei Kornelius, wurde diese Türe geöffnet. Gott hatte diesen Menschen, «fromm und gottesfürchtig mit seinem ganzen Hause, der dem Volke viele Almosen gab und allezeit zu Gott betete», dazu ausersehen. Der Augenblick war gekommen, um diesem gottesfürchtigen Mann das Heil zu verkündigen, das durch den Glauben an den Herrn Jesus und Sein Werk erlangt wird, damit er Vergebung der Sünden empfange. In Christo ist das ewige Leben geoffenbart worden, und auf Grund Seines Werkes am Kreuze konnte es nun mitgeteilt werden. Die Gebete und die Almosen des Kornelius waren hinaufgestiegen zum Gedächtnis vor Gott. Nun wollte Er diesem Heiden das ganze Ausmaß Seiner Gnade kundtun. Nachdem jetzt die Gerechtigkeit Gottes befriedigt war, gab es auf der Erde für Seine Gnade keine Grenzen mehr. Ein Engel wurde zu Kornelius gesandt, nicht um ihm das Evangelium zu verkündigen, sondern um ihm zu sagen, wo Er den für diesen Dienst von Gott ausgerüsteten Diener finden konnte.
Verse 9 bis 16
Damit aber Petrus das Evangelium des Heils über die Grenzen Israels hinaus verkündigte, bedurfte er seitens des Herrn einer besonderen Offenbarung. Seine jüdischen Vorurteile und nachher auch die der Gläubigen in Jerusalem mussten überwunden werden. Die Gläubigen aus den Juden nahmen das Christentum mit Freuden an, doch hatten sie die größte Mühe, um zu verstehen, dass es auch für die Heiden auf demselben Boden zugänglich sei.
Der Herr benützte den Umstand, dass Petrus hungrig war, um ihm durch ein Gesicht begreiflich zu machen, dass das Werk, das er unter den Juden mit soviel Eifer ausführte, sich nun auch unter den Nationen ausbreiten sollte. Auch die Heiden sollten jetzt in die Segnungen des Reiches eingeführt werden, das durch die Verwerfung des Königs eine besondere Form angenommen hatte.
Durch das Werk des Kreuzes reinigt nun Gott jeden Glaubenden, welcher Nation er auch angehöre. Die durch das Gesetz aufgerichteten Unterschiede verschwanden im Tode Christi. Dieser hat dem Menschen nach dem Fleische, ob er Jude oder Heide sei, ein Ende gesetzt. Vor Gott befinden sich alle auf demselben Boden, sowohl hinsichtlich ihres Zustandes der Sünde als auch im Hinblick auf das Werk Christi. Das ist es, was Petrus durch das Gesicht von allerlei Tieren, die vom Himmel herabkamen, lernen sollte. Dreimal wurde ihm die wichtige Wahrheit gesagt: «Was Gott gereinigt hat, mache du nicht gemein.» Darauf wurde das Gefäß in den Himmel hinaufgenommen, was Petrus zeigte, dass Gott diese unreinen Wesen, die Er selber gereinigt hatte, für den Himmel zubereitet hat. Sie kamen von dort und kehrten wieder dahin zurück. Die Gläubigen aus den Juden wie auch die aus den Nationen, sind Gegenstände der Gnade und beschäftigten schon in der Ewigkeit die Gedanken Gottes.
Kapitel 10, Verse 17 bis 24
Gott ließ die Ankunft der Boten des Kornelius mit dem Augenblick zusammentreffen, wo Petrus «in Verlegenheit war, was doch das Gesicht sein möchte, das er gesehen hatte». Der Apostel sann darüber nach, was ihm Gott damit sagen wollte. So fand ihn der Geist Gottes also in einem Seelenzustand, in welchem er sich willig führen ließ. Der Geist konnte jetzt zu ihm sagen: «Gehe hinab und ziehe mit ihnen, ohne irgend zu zweifeln, weil ich sie gesandt habe.» Um zu gehorchen und irgendwelchen Dienst zu tun, muss der Knecht Gottes in einem solchen Seelenzustand sein, dass er die Weisungen des Geistes Gottes zu verstehen vermag. Trotz des Verfalles in der Christenheit ist der Geist Gottes immer noch am Werk, um die zu leiten, die dem Herrn zu gehorchen wünschen. Hier sieht man, wie der Heilige Geist aus eigener Machtvollkommenheit handelt. Er teilt die Gaben aus (1. Kor. 12,4-11) und leitet die, welche Er begabt hat. In der Christenheit betrachtet man Ihn nur als einen «Einfluss»; man hat aus den Augen verloren, dass Er eine göttliche Person und genau so persönlich auf der Erde anwesend ist, wie es Christus selber war. Bis zur Wiederkunft des Herrn ist der Heilige Geist in der Versammlung Gottes anwesend und wird Sein Werk treu vollführen. In Seiner Kraft verwirklichen wir die Gegenwart des Herrn in der Versammlung.
«Was ist die Ursache, weshalb ihr kommet?» Auf diese Frage des Petrus antworten die Boten mit einem schönen Zeugnis für Kornelius, ihren Herrn. Er ist «ein gerechter und gottesfürchtiger Mann und hat ein gutes Zeugnis vor der ganzen Nation der Juden». Das war das Ergebnis der Erfahrungen, die sie im Verkehr mit ihm gemacht hatten. Es wäre zu wünschen, dass alle, die näher mit uns in Berührung kommen, uns auch ein solches Zeugnis ausstellen könnten.
Jetzt kann Petrus ohne Furcht aufbrechen. Er weiß: der Geist Gottes sendet mich, und auch Kornelius ist «von einem heiligen Engel göttlich gewiesen worden», mich holen zu lassen. Gott hatte für dieses wichtige Werk, das Petrus vollbringen sollte, alles vorbereitet.
Der Apostel ist darauf bedacht, Zeugen bei sich zu haben, um später über die Ereignisse berichten zu können: «Etliche Brüder von Joppe gingen mit ihm». Auch Kornelius steht mit seinem Wunsche, besser belehrt zu werden, nicht allein. Er will, dass «seine Verwandten und nächsten Freunde» Teil haben an den Segnungen, die ihm nun gebracht werden sollten; denn sie waren für ihn und sein ganzes Haus bestimmt (Kap. 11,14).
Verse 25 bis 33
Kornelius ist sich der Größe des Vorrechtes bewusst, das Gott ihm in der Zusendung Seines Knechtes zuteil werden lässt. Er fällt Petrus zu Füßen. Dieser aber weist die Huldigung mit den Worten zurück: «auch ich selbst bin ein Mensch». Diese Antwort macht es deutlich, wie groß die Gnade ist, die den Menschen erwiesen worden ist. Gott errettet Menschen; Er hat ihnen Gaben gegeben und sie durch den Geist fähig gemacht, anderen Menschen die Tiefen Gottes mitzuteilen. Obwohl sie Gegenstände einer solch wunderbaren Gnade und in den Augen Gottes über die Engel erhoben sind, sollen sie aber das Bewusstsein, Menschen, d. h. abhängige Wesen zu sein, die ihren Platz in Demut einnehmen, nicht verlieren. Der erste Mensch hat durch die Sünde seine wahre Stellung verloren. Der gläubige Mensch aber ist durch die Gnade in seine wahre Stellung vor Gott gebracht worden, in eine Stellung der Abhängigkeit und des Gehorsams. Ebensowenig wie der Engel in Offenbarung 22, 8-9, nimmt Petrus eine Huldigung entgegen, die nur Gott gebührt. Hätten alle, die je und je in der Kirche die Stellung eines Knechtes Gottes eingenommen haben, das verstanden, dann hätten sie sich nicht in Amt und Würden über ihresgleichen erhoben, noch Ehre von ihnen genommen. Die Würde, die ein Knecht Gottes anstreben soll, ist die, ein «Vorbild der Herde» zu sein (1. Petr. 5,3).
Petrus bekennt zuerst, Gott habe ihm gezeigt, «keinen Menschen gemein oder unrein zu heißen», und das habe ihm gestattet, ohne Widerrede zu ihm, dem Heiden, zu kommen. «Ich frage nun», so fährt er fort, «aus welchem Grunde habt ihr mich holen lassen?» Kornelius erinnert an das Gesicht, das er gehabt, und bestätigt das, was schon seine Boten zu Petrus gesagt hatten. Kornelius hatte gefastet und um die neunte Stunde gebetet. «Fasten und Beten» ist das uns geziemende Verhalten, auf das Gott mit der Entfaltung Seiner Macht antworten kann (Markus 9,29). Die neunte Stunde war die Stunde des Gebetes; auch war es die neunte Stunde, als der Herr ausrief: «Es ist vollbracht!» Dass Kornelius auf sein Flehen hin die Antwort Gottes empfing, geschah auf Grund der Tatsache, dass das Werk vollbracht ist.
Kornelius hatte das Bedürfnis, mehr zu wissen, als nur das, was er als gottesfürchtiger Proselit erkennen konnte. Er befand sich als solcher noch in dem unbefreiten Seelenzustand eines Menschen, der das Werk Christi noch nicht kennt. Das ist auch heute der Zustand vieler Seelen, die bezüglich der Vollkommenheiten des göttlichen Werkes am Kreuze mangelhaft unterrichtet sind. Kornelius sprach zwar von Gott; aber es fehlte ihm die Erkenntnis Gottes in Seinem Sohne: «Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen» (Joh. 17,3).
Gemeinsam mit denen, die bei ihm versammelt waren, hatte Kornelius das Bewusstsein, in der Gegenwart Gottes zu sein, und sie wollten hören, was Er ihnen durch Petrus sagen ließ. Gott spricht heute durch Sein Wort auch zu uns, so oft wir es aufschlagen, ob wir es ein jeder für sich oder in der Versammlung lesen. Möchten wir doch stets von Seiner Gegenwart und von der Autorität Seines Wortes durchdrungen sein! Was Petrus ihm sagen würde, war für Kornelius ein Gebot Gottes. Er begriff, dass Gott ihm gegenüber Rechtsansprüche hatte, und er verwirklichte sie in seiner Seele; als er die Botschaft des Apostels empfing, war er sich ihrer göttlichen Autorität bewusst. Auch in der Zeit der Gnade handelt Gott souverän und gebietet den Menschen, auf welche Weise sie errettet werden müssen. Paulus sagte zu den Athenern: «Gott gebietet jetzt den Menschen, dass sie alle allenthalben Buße tun sollen» (Apg. 17,30). Der Mensch hat kein Recht, sich zu weigern, an Christum zu glauben; weigert er sich dennoch, so ist er ungehorsam gegen Gott und wird die ewigen Folgen dieses Ungehorsams tragen. Glauben heißt Gehorchen.
Verse 34 bis 43
Nach allem, wovon Petrus soeben Zeuge gewesen war, sagte er: «Ich begreife, dass Gott die Person nicht ansieht, sondern in jeder Nation, wer ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt, ist ihm angenehm.» In dieser Stellung hatte sich Kornelius bis dahin vor Gott befunden. Aber Gott wollte jetzt solchen, die Ihm in dieser Weise angenehm waren, die große, durch das Kommen Seines Sohnes Jesus Christus bewirkte Errettung zur Kenntnis bringen. Petrus war dazu ausersehen, sie ihnen zu verkündigen. Gott wollte sie nicht in ihrem damaligen Zustand lassen. Durch Jesum Christum – der aller Herr ist, der Heiden sowohl, als auch der Juden – war die gute Botschaft des Friedens wohl zuerst zu den Söhnen Israels gesandt worden. Aber diese in Jesaja 57,19 verheißene Botschaft war in der Person des Herrn nicht nur für jene allein, sondern für alle gekommen. Petrus stellte nun Jesum vor die Augen der Anwesenden in Seinem Dienst inmitten der Menschen, gekommen aus dem von den Juden verachteten Nazareth, aber von Gott mit Heiligem Geist und mit Kraft gesalbt. Durch den Umstand, dass Ihn Gott mit Heiligem Geiste gesalbt hat, wurde die ganze Vortrefflichkeit Seiner Person hervorgehoben. Obwohl Er von Nazareth kam, hat Gott die Herrlichkeit Seiner Menschheit völlig anerkannt; schon bei der ersten Offenbarung derselben versiegelte Er Ihn mit Seinem Geiste und verkündigte vom Himmel her: «Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe.» Die Salbung ist sowohl das Siegel Gottes wie auch das Zeichen Seines Dienstantrittes. Der Gläubige hat denselben Geist empfangen, da er durch den Glauben in den Genuss des vollkommenen Werkes Christi eingetreten ist.
Jesu ganzes Leben war der Ausdruck Seiner Vollkommenheit. Er ging von Ort zu Ort, Gutes tuend. Sein Leben war die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes, mit dem Ziel, Seine Geschöpfe aus der Gewalt des Teufels und von jedem Joch der Knechtschaft zu befreien. Gott war mit Ihm; und die Jünger waren Zeuge alles dessen gewesen, was Jesus Im Lande der Juden getan hatte.
«Welchen sie auch umgebracht haben, indem sie ihn an ein Holz hängten.» So schätzte der Mensch diese herrliche Person ein, während Gott Seine völlige Befriedigung, die Er in Ihm fand, dadurch zum Ausdruck brachte, dass Er Ihn am dritten Tage aus den Toten auferweckte. Das Volk, das Ihn umbrachte, hat Ihn nicht als Auferstandenen gesehen; Er wurde nur denen sichtbar, die Gott zuvor als Zeugen Seines heiligen Lebens und Seiner Auferstehung auserwählt hatte. Die Auferweckung aus den Toten ist der Ausdruck der völligen Befriedigung, die Gott in diesem vollkommenen Menschen fand. Obwohl auferstanden, ist Jesus derselbe geblieben; Er hat es den Jüngern, die nach Seiner Auferstehung mit Ihm gegessen und getrunken haben, völlig bewiesen (Lukas 24). Diese Zeugen empfingen das Gebot, dem Volke zu predigen und ernstlich zu bezeugen, dass Er der von Gott über Lebendige und Tote verordnete Richter ist. Petrus begann in seiner Verkündigung bei der Taufe Christi. Er sprach von Seinem Dienst inmitten der Menschen, von Seinem Tod, von Seiner Auferstehung aus den Toten und von Seiner Erhöhung zur Würde eines Richters der Lebendigen und Toten. Bis hierhin betraf alles, was Petrus sagte, die Juden; aber im 43. Vers geht das Zeugnis der Propheten weiter: «Durch seinen Namen empfängt jeder, der an ihn glaubt, Vergebung der Sünden.» Das geht nun alle an, und Kornelius und die Seinen waren im Begriffe, Nutznießer dieser Verheißung zu werden.